Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 16
Bei bei den Strapazen, die einem durch die unzureichende Vorbereitung der Erörterung aufgezwungen werden, neigt man zu dem Schluss, dass mit Dr. Luegers Feststellungen das GWM bereits zu Fall gebracht wurde. Es liegt auf der Hand, dass bei diesen gravierenden Fehlern die Aussagen der Projektbetreiber, die Hänge seien sicher, das Mineralwasser sei sicher, die Bäume überleben problemlos …. dass all das auf falscher Grundlage prognostiziert wurde. Da hat es der Tunnelbauer Wittke noch recht einfach, weil er sich auf seine Erfahrung beruft, und ihm schon ein Bauverfahren bei überraschendem Bauverlauf einfallen wird. Mit Sprüchlein, wie „Vor der Hacke ist es dunkel“, wird nur versteckt, dass man den komplizierten Stuttgarter Untergrund auf völlig unzureichender Wissensbasis anzapfen will. „In der black-box ist es dunkel“ – und wer die füttern darf, bestimmt das Ergebnis.
Für die Anwohner oder die Nutzer der Stuttgarter Park- und Wasserwelten sind diese Unsicherheiten und folgende Überraschungen jedoch nicht hinnehmbar. Ihre aktuelle Kritik wird verwiesen auf den Tag des Schadenseintritts, der in viel weiterer Zukunft liegen kann. Sie müssten dann beweisen, dass die Schäden auf die Baumaßnahmen zurückzuführen sind, und das auch noch gegen die heute auf Modellbasis erstellten Wirkungsgrenzen der Pumperei. Insoweit ist die derzeitige Erörterung mängelbehaftet, denn man diskutiert auf einem unvollständigen, fehlerhaften, möglicherweise völlig falschen Wissensstand.
Es mangelt dem Projekt am Allgemeinwohl
Das Immobilienspekulationsprojekt hat sich in den letzten Jahrzehnten selbst entlarvt. Die sogenannten Experten haben ihr Vertrauen verspielt. Sie verharren noch an der liebgewonnenen Idee, versuchen krampfhaft ihre scheinbaren Gewissheiten an den Bürger zu bringen, aber der setzt sich inzwischen zur Wehr. Was 2005 noch überrollt werden konnte, hat seinerseits nun Argumente in den Weg geräumt, die nicht mehr ignoriert werden können.
Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es sich bei dem „Umbau des Bahnknotens“ um den Rückbau der bestehenden Infrastruktur handelt. Die Politik hat sich längst darauf festgelegt, dass ein Ausbau des Schienennetzes notwendig ist. Stuttgart 21 ist das glatte Gegenteil. Man baut sich für unendlich viel Geld und mit erheblichen Risiken eine Kellerstation mit der Leistungsfähigkeit eines Vorstadtbahnhofes.
Dieser nachweisbare Rückbau ist nicht mehr zu verheimlichen. Auch beim Stresstest hat man versucht, mit einem Black-Box-Modell ein positives Ergebnis zu simulieren, das eigentlich sogar den bestehenden Bahnhof noch übertreffen sollte. Das alles ist widerlegt.
Damit fehlt es bei der Abwägung von Risiken und kostenträchtigen Investitionen an der standardisierten Begründung, dass das hinnehmbar sei, weil die Verwirklichung des Projektes dem Allgemeinwohl diene und/oder im besonderen öffentlichen Interesse liege. Das Wegfallen dieser Planrechtfertigung, durch Dr. Engelhardt in die Protokolle gebracht, wird es den Entscheidern in den Ämtern sehr schwer machen – und ebenso später den Gerichten (falls es überhaupt soweit kommen muss).
Einmaliges Ausnahmerecht ohne Begrenzung
Die Planänderung zielt darauf, von der Stadt die Genehmigung zu erhalten, innerhalb bestimmter Zeiträume bestimmte Wassermengen abzupumpen und woanders einzuleiten. In Kenntnis ihrer ungenauen Modelle haben sich beide Seiten offenbar ein Verfahren erdacht, das in der BRD einmalig ist.
Die 6,8 Millionen Kubikmeter sind nicht die Höchstmenge, sondern basieren auf einem, wieder mal errechneten, Faktor, der durch Niederschlagsmengen und Hochwassersituationen im Untergrund bestimmt wird. Mit der zweifelhaften Ermittlung aus fernab genommenen Wetterdaten wird dann das Modell gefüttert. Wenn man an die erlaubten Grenzwerte kommt, und weist nachträglich nach, dass es doch viel geregnet hätte in letzter Zeit, und man diesen nachträglich ermittelten Wert von der real gepumpten Menge abzieht, ist alles wieder im Lot.
Im Ergebnis hieße diese Genehmigung, dass der Wert zu einer aktuellen Einstellung der Bautätigkeit nie erreicht werden kann, dass man sich mit der siebten Planänderung zum letzten Mal in einem Erörterungstermin zur Erhöhung der Pumpmengen getroffen hätte. Wieder ein schönes Beispiel, wie Aufsicht, Genehmigung und Ausführung projektgefördert Hand in Hand gehen.
Das Mauern um den Bahnhofsturm
Architektonisch hat Paul Bonatz den Turm sicher als ein Bauwerk mit hoher Symbolkraft betrachtet. Er wurde inzwischen zum Wahrzeichen Stuttgarts – und er könnte zum Wahrzeichen des Scheiterns von Stuttgart 21 werden. Es gibt bis heute keine Beweise, auf welcher Art von Pfählen der Turm errichtet wurde. Es gibt die Aussagen des Architekten, es gibt eine eigenartige Änderung der Aussagen der Bahn, es gibt eine statische Berechnung, die aber unabhängig vom Baumaterial ist, es gibt ein paar Fotografien, es gibt zeitgenössische Artikel, es gibt keine Belege der damals bauausführenden Firma. Bewiesen ist damit nichts.
Für die Verwendung von Holzpfählen in dem sumpfigen Untergrund, zumal in der Zeit des ersten Weltkriegs, spricht bautechnisch sehr viel. Die Bauweise war erprobt, einfacher zu handhaben, und deutlich preiswerter zu realisieren.
Es gibt eindeutige Aussagen der Planer und Gutachter aus der Zeit der Planfeststellung, dass wenn der Turm auf Holzpfählen gründet, dass dann das GWM in der geplanten Art die Standsicherheit des Turmes gefährdet.
Die Bahn verweigert bisher eine Untersuchung der 289 Pfähle – das erstaunt doch sehr, denn angesichts des Milliardenbetrages, den der geplante Sargbahnhof verschlingen wird, und angesichts des hohen Risikos, dass mit einer Schädigung des Turmes einhergeht, sind die paar tausend Euro für eine unabhängige Prüfung vernachlässigbar. Es wundert aber auch, dass niemand sonst, also z.B. die Stadt Stuttgart selbst, das bisschen Geld locker macht. Bisher hat man dort nicht drauf geschaut, wie viel Millionen man der Bahn über die Finanzierungs- und Kaufverträge bereits in den Beutel geschmissen hat.
Die Fokussierung auf das Material der Pfähle lenkt ein wenig von deren Zustand ab. Wären sie aus Holz, könnten sie heute noch ihre Funktion erfüllen – wären sie aus Eisenbeton, könnte der Rostfraß nach hundert Jahren ein wenig stabiles Gerüst hinterlassen haben. Diese Erkenntnis will man in jedem Fall vermeiden. Wenn es dann in ein paar Jahren kracht, ist das egal, weil der Staat und die Stadt werden die Sanierung sicher bezahlen, damit es auf der Baustelle Fortschritt gibt.
Die geordnete Beendigung von Stuttgart 21 ist eingeleitet
Wer sich intensiv die 1.200 Seiten durchliest, kann nur zu diesem Schluss gelangen. Wir werden in den folgenden Tagen unsere wichtigsten Erfolge kurz beleuchten. Dieses Protokoll, dazu die ganzen Vortragsfolien und zusätzlichen Stellungnahmen, gehören ins Landessarchiv – dieser Einsatz von so vielen Menschen hat sich in jedem Fall gelohnt. Halten wir noch einmal richtig dagegen; noch einmal mit ganzer Kraft gegen die Beschwichtigungen, Verdrehungen, Halb- und Unwahrheiten angehen.
Als letztes soll der TOP „Lärm, Erschütterungen, verkehrliche Belange“ aufgerufen werden. Es ist festzustellen, dass zahlreiche Punkte zum Thema Wasser (zusätzlicher unterirdischer Zufluss, Altlasten etc) gar nicht oder nur ungenügend behandelt wurden. Das Thema Natur & Landschaft bekam eine gute Stunde, der Rest wurde auf unbekannt verschoben. Die Planrechtfertigung, bei der man natürlich über die planerische Angemessenheit der Antragslösung und ihre Fähigkeit reden muss, zielführend zu sein, wurde nicht abgeschlossen. Die Rednerlisten konnten nicht abgearbeitet werden.
Also, geben wir uns die Ehre, geben wir dem GWM den Rest, unterstützen wir noch mal unsere versierten Fachleute, bringen wir uns ein, zeigen wir dem Regierungspräsidium, das wir uns nicht einfach abspeisen lassen, zeigen wir den Herrschaften, wo der Hammer hängt, machen wir den Sack zu …
PS: die Weitergabe des Protokolls ist unter Strafandrohung aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten worden. Auch das Zitieren ist nicht erlaubt. EinwenderInnen können das Protokoll beim Regierungspräsidium einsehen oder auf CD erhalten.
Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie
Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?
Teil 3 – Wasser geht uns alle an!
Teil 4 – Ordnung für 3 Tage – die Tagesordnung
Teil 5 – „Ich will das wissen …“
Teil 6 – Stuttgarter Untergrund
Teil 7 – Bad Cannstatt – Bad Berg – Bad Nepp
Teil 8 – Die Hänge sind sicher
Teil 9 – Der Boden, auf dem wir stehen
Teil 10 – Experimentierfeld Schlossgarten
Teil 11 – Grober Unfug hat keine Rechtfertigung
Teil 12 – Vorprogrammierte Betriebsstörung
Teil 13 – Merkzettel – das Wichtigste zusammengefasst
Teil 14 – Bürgerbeteiligung als Lehrstück
Teil 15 – Erörterung feiert Advent, Advent …
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2 Gedanken zu „Das ist noch längst nicht alles gewesen – Eine Analyse der Protokolle“