Vorprogrammierte Betriebsstörung

Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 12

Flaschen_kleinAm 15.7. beginnt also tatsächlich die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen gegen die Planänderungen zur Grundwassermanipulation. Es wurden weit über 10.000 Einwendungen gegen dieses Vorhaben eingelegt. Ohne die Planänderung können die Baugruben für den Sargbahnhof nicht ausgehoben werden. Derzeit haben wir also faktisch einen Baustopp der zentralen Planabschnitte im Talkessel der Stadt. Weil dieser Erörterungstermin so überaus wichtig ist, werden wir in dieser Rubrik nun täglich kurze Informationen verschiedener Autoren zu der Erörterung anbieten. MOBILISIERT EUCH!

Es ist unverkennbar, in welcher Breite sich die Manipulation des Grundwassers im Tal und an den Hängen auswirkt, wie allumfassend die Menschen in ihrem Lebensraum davon betroffen sind. Korrekturen im laufenden Baubetrieb, wegen Fehlfunktionen des GWM, werden immense Kosten verursachen, werden erhebliche Verzögerungen bewirken, und möglicherweise gravierende Schäden auslösen. „Ob das Grundwassermanagement funktioniert, wird sich erst im Betrieb zeigen.“ – Projektleiter Penn bei der Erörterung zum Fildertunnel im Jahr 2012.

„Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“

Das ist die Weisheit des Ingenieurs Edward A. Murphy zu komplexen technischen Systemen, die zudem von menschlichen Fehlern beeinflusst werden. Der Planfeststellungsbeschluss von 2005 enthält eine Vielzahl von Seiten zum Wasser. Beschreibungen, Festsetzungen, Abwägungen und Ausnahmegenehmigungen. Aber alles noch auf der Basis einer Menge von drei Milliarden Liter Wasser. Trotzdem kommt es zu einigen bemerkenswerten Feststellungen. Zum Pumpen des Wassers „Alle Risiken sind dabei nicht vorherseh- und ausschließbar.“ oder auch zur Infiltration „An die der Infiltration vorgeschalteten Reinigungsanlagen sind daher die höchsten Anforderungen zu stellen, die teilweise sogar über den derzeitigen Stand der Technik hinaus gehen.“

Die Manipulation des Grundwassers erfordert ein höchst kompliziertes Überwachungssystem für Wasserstände und chemische Untersuchungen auf Veränderungen, z.B. auf mobilisierte Schadstoffe oder aufsteigendes Mineralwasser. Alle Untersuchungen sind aber wertlos, wenn die Häufigkeit und der Umfang begrenzt sind, die Auswertungen nur vom Projektbetreiber getätigt werden, und es zur Vermischung von Einzelerkenntnissen in Zusammenfassungen über längere Zeiträume kommt.

Die Bahn entscheidet, wann Verspätung ist

Das Verfügen von Notfallmaßnahmen, bis hin zum Einstellen der Pumperei, darf nicht im Ermessen der Projektbetreiber liegen. Der Baufortschritt und Kostenfragen dürfen kein Kriterium sein, wenn es zu Problemen kommt. Schon der bestehende Planfeststellungsbeschluss ist an diesen wichtigen Punkten sehr schwach und belässt die Definitionshoheit bei der Bahn. Mit der siebten Planänderung soll die Überwachung noch weiter aufgeweicht werden. Dabei steht die Erhöhung der Pumpmengen in keinem notwendigen Zusammenhang, die Stellschrauben der Überwachung zu lösen.

Angesichts der bereits bestehenden Risiken, durch Abwägungsprozesse gegenüber dem angeblichen Allgemeinwohl in Kauf genommen, muss die Frage gestellt werden, ob die Verdoppelung der Pumpmengen überhaupt das richtige Konzept ist, auf die vermeintlich neuen Erkenntnisse über den Grundwasserandrang zu reagieren. Teurer wird das Projekt in jedem Fall, denn wer doppelte Mengen pumpt, hat mindestens doppelte Kosten.

Die Fortschreibung des Irrtums

Im Prinzip wird, ein möglicherweise falsches Konzept, einfach technisch aufgebläht, in dem man zusätzliche Rohrleitungen verlegt, größere Durchmesser verwendet, weitere Pump- und Reinigungsanlagen aufstellt. Das ist eine Denkweise, die die Unendlichkeit für beherrschbar hält. Natürlich ist es einfacher und billiger, nur die Dimensionen zu vergrößern und sich gleichzeitig noch flexiblere Ausnahmen zu genehmigen. Kommt dann wieder alles anders als geplant, braucht man kein Änderungsverfahren mehr, sondern schraubt die Kapazitäten weiter nach oben.

Schon das Rohrsystem wurde in einem Maße erweitert, dass nun bei Rohrbrüchen erhebliche Umweltbelastungen zu befürchten sind. Das aus den Baugruben stammende Wasser ist mit allerhand Chemikalien aus dem Betonbau und möglichen Altlasten verschmutzt. Faktisch soll vom Abstellbahnhof bis zum Hauptbahnhof, durch die Parkanlagen, eine oberirische Schmutzwasserleitung verlaufen.

Alternativen zu der plumpen Lösung, alles größer zu machen, hätten vorgelegt werden müssen. Dazu gehören u.a. Verfahren, die geplanten Baugruben zu vereisen, oder unter Wasser zu betonieren. Auch dazu wären aufwändige Änderungsverfahren erforderlich. Es würde sicher auch teurer werden, durch die Abweichung vom eingeschlagenen Weg und durch diese speziellen Verfahren. Das Resultat könnte eine Minderung der Risiken sein.

In eigener Sache:

Wir freuen uns über angeregte Diskussionen und Kommentare, hier und im Parkschützer-Forum. Wir bemühen uns, alles zu lesen, und offene Fragen in dieser Artikel-Serie zu behandeln. Wir freuen uns auch, wenn sich weitere Autoren mit eigenen Beiträgen beteiligen möchten oder Hinweistexte für die weitere redaktionelle Bearbeitung geben.

Hintergrundinformationen zum Grundwassermanagement und zur Planänderung finden sich u.a. in diesen Artikeln und Seiten:

Artikel sww, Ausgetrocknet vor dem ersten Pumpversuch
Artikel sww, Bewohner des Kernerviertels fordern umfassende Risikenaufklärung
Artikel sww, Grundwasserthema bleibt ein großes Problem
Artikel geologie21, Stellungnahme des Landesamtes für Geologie
Internetauftritt, Klage von Rechtsanwalt Arne Maier gegen das Planänderungsverfahren

Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie

Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?
Teil 3 – Wasser geht uns alle an!
Teil 4 – Ordnung für 3 Tage – die Tagesordnung
Teil 5 – „Ich will das wissen …“
Teil 6 – Stuttgarter Untergrund
Teil 7 – Bad Cannstatt – Bad Berg – Bad Nepp
Teil 8 – Die Hänge sind sicher
Teil 9 – Der Boden, auf dem wir stehen
Teil 10 – Experimentierfeld Schlossgarten
Teil 11 – Grober Unfug hat keine Rechtfertigung

8 Gedanken zu „Vorprogrammierte Betriebsstörung“

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