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Hier nun auch für Google wieder zu finden:
1994 – Das Projekt wird erstmals vorgestellt
Heinz Dürr, der ehem. Vorstandsvorsitzende der DB AG sagte zu Stuttgart 21: „Die Art der Präsentation (von Stuttgart 21) im April 1994 war ein überfallartiger Vorgang. Gegner und Skeptiker sind nicht im Stande gewesen, die Sache zu zerreden. Ein Musterbeispiel, wie man solche Großprojekte vorstellen muss.“ (Zitat aus den Stuttgarter Nachrichten vom 14. Februar 1995)
Die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten begleiten das Projekt von Anfang an als vehemente Unterstützer.
1995 – Rahmenvereinbarung, der Widerstand formiert sich
Am 16. Januar 1995 wird die Machbarkeitsstudie zu Stuttgart 21 vorgestellt.
Im April 1995 wird die Planung für Stuttgart 21 im Stadtplanungsamt ausgestellt.
Am 29. August 1995 wird das Ergebnis der Bürgerumfrage, in der erstmals nach dem Projekt Stuttgart 21 gefragt wurde, bekannt: 51% haben eine gute oder sehr gute Meinung zum Projekt, 30% eine schlechte oder sehr schlechte Meinung dazu.
Am 7. November 1995 wird eine Rahmenvereinbarung zu Stuttgart 21 unterzeichnet, in der ein Zeitplan für das Projekt definiert wird und die Baukosten von 4,893 Mrd. DM zwischen DB AG, Bund, Land, Region und Stadt aufgeteilt werden.
Mit dieser Zahl von knapp 2,5 Mrd. EUR werden die Befürworter noch fast zehn Jahre später aufwarten. Es handelt sich um eine politisch gedeckelte Zahl, die im weiteren dazu führen wird, dass die DB die Planung immer wieder stoppen wird, um über die Mehrkosten nachzuverhandeln.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Rahmenvereinbarung ist, dass der Bahn der Erlös aus den Grundstücksverkäufen garantiert wird, sodaß die Stadt in ihrer städtebaulichen Planung auf eine „Mindestverwertbarkeit“ festgelegt wird. Das ist der Kern des Immobilienprojekts Stuttgart 21.
Noch im November 1995 wird im Rahmen einer Veranstaltung zu Stuttgart 21 mit Winfried Wolf (damals MdB der PDS) die Bürgerinitiative „Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“ gegründet. Sprecher der Initiative werden Wolfgang Steinbach und Gangolf Stocker.
Am 30. November 1995 befürwortet der Stuttgarter Gemeinderat bei 40 Ja-Stimmen und 16 Gegenstimmen (Bündnis 90/Grüne, Republikaner, SPD-Stadtrat Rolf Penzel und ödp-Stadtrat Gerhart Scheerer) die Rahmenvereinbarung, die ja schon über drei Wochen vorher von OB Manfred Rommel unterzeichnet worden war.
Stadtrat Michael Kienzle (Bündnis 90/Grüne): „In der letzten Zeit sind drei Großprojekte, die zweite Musical Hall, die Verlegung der Messe und nun Stuttgart 21 im Hoppla-Hopp-Verfahren eingeleitet und durchgezogen worden.“
Gerhart Scheerer (ödp) forderte, die Abstimmung um mehrere Monate zu vertagen. Seiner Ansicht nach müßten die Bürger mehr an der Entscheidung beteiligt werden. Außerdem fehle ihm eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts.
1996 – Bürgerantrag und erste OB-Wahl im Schatten von Stuttgart 21
Am 30. Januar 1996 stimmt der Ausschuß für Umwelt und Technik dem vom Stadtplanungsamt Stuttgart vorgelegten Rahmenkonzept für die zu bebauenden Gelände zu.
Dieses Rahmenkonzept soll als Grundlage für den städtebaulichen Rahmenplan dienen.
Anfang März 1996 meldet sich „UMKEHR Stuttgart“, ein Bündnis aus Umweltverbänden und dem Architekturforum Baden-Württemberg zu Wort und kritisiert u.a. die Finanzierung des Projekts als unrealistisch, weist auf die Probleme beim Mineralwasser hin und stellt ein Alternativkonzept unter dem Namen „Das bessere Stuttgart 21“ (auch „Lean-Variante“ genannt) vor.
Nach OB Rommel weist auch die Projektgesellschaft der Bahn alle Kritik am Projekt zurück.
Wie schön, ein Visionär zu sein,
im ruhigen, stillen Kämmerlein.
Doch könnt es nützen manchem Plan,
ließ man auch mal die Bürger ran…
In der Ausgabe 2/1996 des fairkehr, der Mitgliederzeitschrift des VCD, erscheint ein Artikel über das Projekt Stuttgart 21. Zitat: „Ein unterirdischer Durchgangsbahnhof … soll Stuttgart besser ans Hochgeschwindigkeitsnetz anschließen. Auf dem alten Gleisgelände entstehen, zur Kostendeckung des Vorhabens, hauptsächlich teure Büros – obwohl schon jetzt in der City jede Menge leer steht. Umwelt- und Verkehrsverbände, darunter auch der VCD, sehen außerdem den Regionalverkehr auf der Strecke bleiben. Ihre Studie Das bessere Stuttgart 21 setzt sich kritisch mit dem Projekt auseinander und präsentiert zukunftsfähige Alternativen.“
Im April beginnt der städtebauliche Wettbewerb mit zehn internationalen Architekturbüros.
Am 24. Juli 1996 werden 13.000 Unterschriften, die die Initiative „Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21“ gesammelt hat, um einen Bürgerantrag zu fordern, an die Stadtverwaltung übergeben.
Mit dem Bürgerantrag soll die Hauptsatzung der Stadt Stuttgart geändert werden, um einen Bürgerentscheid über Stuttgart 21 zu ermöglichen.
Mitte September bringt der Südwestfunk ein Feature des damaligen SWF-Redakteurs Reinhard Nürnberg mit Gegnern von Stuttgart 21. Aber auch der damalige Bahnchef Heinz Dürr kommt zu Wort mit den legendären Worten:
Dürr: „Das ist das erste und am weitesten fortgeschrittene Projekt 21, d.h. Projekt 21, die Bahn gibt Gleisanlagen, Betriebsanlagen in den Städten auf, um den Städten eine Möglichkeit geben, sich selbst zu entwickeln, wir gleichzeitig in die Gelegenheit kommen, unseren Bahnhof in eine modernere Fassung zu bringen, mit dem Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene.“
Sprecher: „Warum ist das notwendig so?“
Dürr: „Ja, notwendig, können wir sagen, ist’s eigentlich gar nicht. Nur, es ist eine Weiterentwicklung, es ist ein Fortschritt, mh, dass wir eben Gleisanlagen, die für den Reisenden nicht mehr erforderlich sind, aufgeben und die den Städten zur Verfügung stellen, um hier, äh, neue Entwicklungen für die Stadt zu machen.“
Hier ist das Audiofile zum Nachhören (22 MB, Herr Dürr ab Minute 07:22)
OB Rommel will den Bürgerantrag aus formaljuristischen Gründen gar nicht erst in den Gemeinderat einbringen, in der Sitzung vom 26. September 1996 wird dennoch über den Bürgerantrag abgestimmt: Wiederum stimmen CDU, SPD (bis auf Rolf Penzel), FDP und FW gegen den Bürgerantrag!
SPD-Fraktionsvorsitzender Rainer Kußmaul fordert in dieser Sitzung „professionelleres Marketing“ ein, damit das Projekt in der Bevölkerung besser akzeptiert werde. (Stuttgarter Zeitung vom 27. September 1996).
Bei den OB-Wahlen treten der bisherige Kulturbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) und der Grüne Rezzo Schlauch, der seinen Wahlkampf mit einer offensiven Ablehnung von Stuttgart 21 führt, gegeneinander an.
Die Initiative „Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21“ verteilt während des Wahlkampfs Flugblätter mit Argumenten gegen Stuttgart 21 und dem Aufruf: Keine Stimme den Befürwortern von Stuttgart 21!
Im ersten Wahlgang am 20. Oktober 1996 erhält Wolfgang Schuster 35,2% der Stimmen, Rezzo Schlauch 30,6%.
Der SPD-Bewerber Rainer Brechtken erhält 22,6%, hält aber dennoch seine Bewerbung aufrecht, u.a. um das Projekt Stuttgart 21 zu stützen – gegen Rezzo Schlauch.
Das Architekturforum Baden-Württemberg stellt am 4. November 1996 seine städtebauliche Alternativplanung erstmals der Öffentlichkeit vor. Das Modell wird in der Volkshochschule in drei Veranstaltungen interessierten Bürgern erläutert.
Im zweiten Wahlgang zur OB-Wahl am 10. November 1996 treten nun Schuster und Schlauch wieder gegeneinander an, die SPD ist, obwohl sie damit den CDU-Kandidaten unterstützt, mit zwei Kandidaten im Rennen: Rainer Brechtken und dem Pforzheimer OB Joachim Becker. Schuster erhält 43,1% der Stimmen, Schlauch 39,3%, Brechtken 13,5% – bei einer Wahlbeteiligung von 53,9%. Damit ist Schuster mit den Stimmen von 23% aller Wahlberechtigten Oberbürgermeister in einer gespaltenen Stadt geworden.
1997 – „Offene Bürgerbeteiligung“ und Raumordnungsverfahren
Im Versuch, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen und ihre Unterstützung für das Projekt Stuttgart 21 zu legitimieren, rufen OB Schuster und der neue Baubürgermeister Matthias Hahn eine Offene Bürgerbeteiligung ins Leben. (Wer Analogien zur Bürgerbeteiligung für das Rosensteinviertel sieht, denkt nichts Arges, sondern erkennt schlicht das Schema).
Schon während der Auftaktveranstaltung mit über 200 interessierten Bürgerinnen und Bürgern am 4. März 1997 (Video) wird offensichtlich, dass die Stadt keine ergebnisoffene Diskussion über das Projekt wünscht, aber auch, dass es breite, grundsätzliche Kritik am Projekt gibt: Das Verfahren wird kritisiert, die Forderung nach einem Bürgerentscheid wird mehrmals gestellt, aber vom Moderator, Herrn Professor Reschl vom Tisch gewischt.
16 Arbeitskreise treffen sich in jeweils sieben Sitzungen.
Auf dem Zwischenplenum am 9. April 1997 wird die Kritik an der Moderation von Professor Reschl, der die grundsätzliche Kritik an Stuttgart 21 nicht zulassen möchte, immer lauter, auch wird von mehreren Arbeitskreisen eine grundsätzliche Diskussion, ob man Stuttgart 21 überhaupt wolle, eingefordert.
Das Abschlußplenum am 3. Juni 1997 darf Professor Reschl nicht mehr alleine moderieren (Forderung der Arbeitskreise). Vier Arbeitskreise fordern ausdrücklich den Erhalt des Kopfbahnhofs.
Das Plenum der Offenen Bürgerbeteiligung verabschiedet mit großer Mehrheit zwei Forderungen:
- Die offene Bürgerbeteiligung soll weitergeführt werden.
- Der Gemeinderat soll dem (städtebaulichen) Rahmenplan zu Stuttgart 21 nicht am 30. Juni 1997 zustimmen, sondern zunächst neutrale Gutachten einholen.
Der Gemeinderat ignoriert die Forderung nach einer Fortführung der Bürgerbeteiligung
Er verschiebt zwar den Beschluß über den Rahmenplan, um sich am 26. Juni 1997 die Ergebnisse der Offenen Bürgerbeteiligung präsentieren zu lassen, beschließt aber am 24. Juli 1997 den städtebaulichen Rahmenplan zu Stuttgart 21, ohne Forderungen aus den Arbeitskreisen der Offenen Bürgerbeteiligung aufzunehmen.
Neutrale Gutachten wurden auch nicht eingeholt.
Die enttäuschten Arbeitskreissprecher organisieren am 22. Oktober 1997 eine Informationsveranstaltung im Café Merlin, zu der alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Offenen Bürgerbeteiligung und die Gemeinderäte eingeladen werden. Es erscheinen nur Vertreterinnen der Grünen, der ödp und der SPD.
Im November 1997 erscheint das Ergebnis der Bürgerumfrage 1997: Ein deutlicher Anstieg der Nennungen „teils/teils“ bei der Frage, wie man zum Projekt stehe: 38% der Befragten haben eine positive Meinung, 33% eine schlechte oder sehr schlechte Meinung zu Stuttgart 21.Im Dezember 1997 reichen die Stadträte Rolf Penzel (SPD) und Gerhart Scheerer (ödp) Klage gegen die Rahmenvereinbarung zu Stuttgart 21 ein, weil sie durch diese in der Abwägung der städtebaulichen Leitplanung eingeschränkt worden sind: Befürworten sie eine lockere Bebauung oder eine Umwandlung in Parkflächen, dann wird die Stadt schadensersatzpflichtig an die Bahn. die Bahn.
1998 – Vorstellung des ersten Modells eines modernisierten Kopfbahnhofs
Am 19. Januar 1998, 26. Januar 1998 und am 2.Februar 1998 finden drei jeweils etwa drei Stunden lange Veranstaltungen im Stuttgarter Rathaus unter dem Titel „Stuttgart 21, Frühzeitige Bürgerbeteiligung Teilgebiet A1“ statt: 45 Minuten Vortrag, dann ca. 13 x 10 Minuten Dialog zwischen Bürger und Verwaltung!
Im Laufe des Jahres 1997 und bis Mitte Mai 1998 sind insgesamt 260.000 Faltblätter der Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21an die Stuttgarter Haushalte verteilt worden, damit sind fast alle Haushalte erreicht worden.
Am 17. April 1998 präsentiert Umkehr Stuttgart eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu Stuttgart 21: Kostensteigerungen von 4,9 Mrd DM auf 5,2 Mrd DM werden prognostiziert, zugleich werden die Grundstückserlöse auf der Einnahmenseite nach unten korrigiert: Es wird mit einem Mehraufwand aus Steuermitteln von 500 Mio DM gerechnet. Gerhard Pfeifer vom BUND: „Wir appellieren an Bund, Land und Stadt, keine müde Mark mehr herauszurücken.“ Klaus Arnoldi vom VCD: „Mit diesen 21er-Projekten wird es die Bahn nicht wagen, an die Börse zu gehen – Stuttgart 21 ist ein Luftschloß.“
Die Sprecher von Umkehr favorisieren den Erhalt des Kopfbahnhofs. Die Kosten für die vorgeschlagene Variante gibt Umkehr Stuttgart mit 1,9 Mrd DM an.
Die Zeitschrift EcoRegio bringt im Mai ein Sonderheft zum Thema Stuttgart 21 heraus.
Im Mai 1998 begnnt der Gemeinderat mit den Beratungen zum Bebauungsplan Stuttgart 21 – Teilgebiet A1, der die Bebauung des Viertels hinter der SüdwestLB auf dem ehemaligen Güterbahnhof mit großer Verdichtung und drei 60-Meter-Türmen vorsieht – gegen schwere Bedenken des Amtes für Umweltschutz, das den Luftaustausch im Talkessel behindert sieht.
Eine Vermarktung der Grundstücke erfordert aber gerade diese Verdichtung bis zu Hochhäusern – ohne Grünflächen.
In der Stadt entbrennen breite Diskussionen über den Bebauungsplan und damit auch über den Sinn und Unsinn von Stuttgart 21.
Am 16. Juni 1998 wird dennoch im Ausschuß für Umwelt und Technik der Entwurf mit den drei Hochhäusern mit Mehrheit (CDU, SPD, FDP, FW) befürwortet.
Vom 2. Juli bis zum 3. August wird der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt.
Am 8. Oktober 1998 wird der Bebauungsplan vom Gemeinderat beschlossen.I
Die für August 1998 geplante Einleitung des Planfeststellungsverfahrens für den Hauptbahnhof muß aus technischen und aus städtebaulichen Gründen um ein halbes Jahr verschoben werden, gibt die Bahn Ende September bekannt.
Zu den technischen Gründen gehört u.a., dass die ursprüngliche Tunneltrassierung zum Flughafen wegen des Gipskeupers geändert werden mußte.
Tatsächlich hatte das Eisenbahnbundesamt die Unterlagen wegen verschiedener Mängel an die Bahn zurückgegeben.
Nach dem Sieg von Rot-Grün bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 wird die neue rot-grüne Bundesregierung im Aufsichtsrat der Bahn AG vertreten sein.
Die Gespräche zwischen den SPD-Bundestagsabgeordneten von Weizsäcker und Kumpf und den Gegnern von Stuttgart 21, die schon im Frühjahr begonnen hatten, werden fortgesetzt.
Am 31. Oktober 1998 machen Landschaftsarchitekten in einer Aktion mit Luftballons im Mittleren Schloßgarten darauf aufmerksam, dass durch den Kellerbahnhof der Schloßgarten zerrissen wird.
Im Spiegel 46/1998 Anfang November berichtet das Magazin, dass die 21er-Projekte finanziell aus dem Ruder laufen, der einzige private Investor auf dem Gelände A1, Mediconsult („Galeria Ventuno“) steht wegen Bankrotts im Rampenlicht, der Bundesrechnungshof will die Kosten für Stuttgart 21 überprüfen.
Weiterhin Lobby-Arbeit der Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21: Schreiben an die Mitglieder des Finanzausschusses und des Infrastrukturausschusses (=Verkehrsausschusses) des Bundestags, ein Faltblatt „Stuttgart 21 – Staus und Verspätungen“ wird ab Dezember verteilt.
Im Dezember 1998 spricht sich der Schwäbische Heimatbund für den vollständigen Erhalt des Bonatzbaus aus: Der Abbruch des Nordflügels sei „funktional und architektonisch völlig unbegründet“, der Erhalt des Südflügels wird als „regelrecht notwendig“ erachtet.
1999 – Stuttgart 21 gerät in Schieflage
Um die Finanzierung von Stuttgart 21 zu retten, plant Stuttgarts OB Schuster, ein Konsortium zu gründen, das der Bahn die Gleisflächen abkauft. Aus dem Offenen Brief der Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21 an die Stuttgarter Gemeinderäte und die Aufsichtsräte der diversen städtischen Grundtstücksgesellschaften vom 18. Januar 1999:
„Ca. 2 Mrd. DM öffentliche Gelder sollen lt. Rahmenvereinbarung sowieso schon in das Projekt Stuttgart 21 fließen. Tortzdem ist jetzt absehbar, dass Stuttgart 21 bankrott ist, weil Investoren desinteressiert sind und die Grundstücksverkäufe nicht einmal die Hälfte des kalkulierten Erlöses bringen.
Nun will OB Schuster mit städtischen Geldern den Großteil des Geländes der Bahn für einen Preis abkaufen, der mindestens doppelt so hoch ist, wie Investoren zu zahlen bereit sind. Damit soll – wie es der CDU-Fraktionschef Föll ausdrückte – Stuttgart 21 unumkehrbar gemacht werden.
Das ist der unverschämte Versuch, dieses von den Stuttgarterinnen und Stuttgartern abgelehnte Bankrottprojekt mit deren eigenem Geld zu retten.“
Es beginnt eine große öffentliche Diskussion in der Stadt, die Tunnelparteien CDU-SPD-FDP begrüßen den Kauf.
Die Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21 verteilt Flugblätter gegen den geplanten Grundstückskauf und sammelt bis Juni Unterschriften.
Mitte Februar veranstaltet der Schwäbische Heimatbund (SHB) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur und dem Stuttgarter Verschönerungsverein im Haus des SHB eine Ausstellung zu den Schloßgartenanlagen und fordert einen runden Tisch, um zu verhindern, dass ein Wall den Mittleren Schloßgarten zerschneidet.
Am 5. März 1999 wird die Klage der beiden Stadträte Rolf Penzel (SPD und Mitglied der Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21) und Gerhart Scheerer (ödp) mit der Begründung, sie hätten keine Klagebefugnis, abgewiesen.
Inhalt ihrer Klage war, dass sie in ihren Rechten als Stadträte durch die Rahmenvereinbarung beschnitten worden seien, weil die Stadt einen Mindesterlös für die Grundstücke der Bahn garantieren muß, ansonsten schadensersatzpflichtig an die Bahn wird. Dadurch wurde aber nach Ansicht der beiden Kläger rechtswidrig in die gemeindliche Planungshoheit eingegriffen.
Das Gericht entschied aber nicht mehr über die rechtliche Zulässigkeit der Rahmenvereinbarung selbst.
Gerhart Scheerer teilte mit, dass es sich das Gericht mit der Ablehnung der Klagebefugnis „sehr einfach“ gemacht habe.
Im März 1999 wird immer offener in den Stuttgarter Zeitungsmedien über einen möglichen Baustop für Stuttgart 21 geredet. Pressemitteilungen von BUND, VCD oder Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21 dazu werden aber nicht mehr veröffentlicht, denn das Thema ist zu heiß geworden.
Umkehr Stuttgart fordert im April die Bahn erneut auf, das Projekt zu stoppen, da die Aussagen über 50 % mehr Fernzüge und 80% mehr Nahverkehrszüge bei Stuttgart 21 irreführend seien, da dieser Mehrverkehr in den Nachtstunden abgewickelt werden solle. Laut dem Landesvorsitzenden des VCD, Klaus Arnoldi, ließen sich die für Stuttgart 21 vorgesehenen Fahrpläne ohne Probleme auch in einem modernisierten Kopfbahnhof bewältigen. So sei in der Spitzenzeit von 16 Uhr bis 17 Uhr bei Stuttgart 21 nur ein Zug mehr vorgesehen als bisher.
Auf Basis eines Gutachtens von Professor Wulf Schwanhäuser wird herausgearbeitet, dass die neue Zugstation schon bei zwölf Prozent mehr Zügen ihre Kapazitätsgrenze erreiche. Der neue Durchgangsbahnhof sei mit acht Gleisen zu klein bemessen, Haltezeiten von mehr als zwei Minuten würden bereits erhebliche Probleme schaffen. (Stgt. Ztg. vom 22. April 1999)
Am 6. Mai 1999 beschließt der Gemeinderat den Kauf der Bahngrundstücke für 380 Mio DM mit den Stimmen der CDU-SPD-FDP-FW. Die Grünen stimmen dagegen, aber nicht weil sie gegen den Kauf an sich, sondern nur zum damaligen Zeitpunkt sind, weil noch nicht klar sei, ob Stuttgart 21 realisiert werde.
Im Mai 1999 beginnt seitens der Stadt und des Landes der „Kampf um Stuttgart 21“, weil klar wird, dass Bahn und Bund das Projekt begraben wollen.
Der VCD Kreisverband Stuttgart fordert in einem offenen Brief OB Schuster auf, die Position zu Stuttgart 21 zu überdenken und die Weichen für eine Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs zu stellen.
Im Juni 1999 wird sogar Dieter Knauß, der Sprecher der IG Metall in der Region Stuttgart, in der IGM Regional zitiert: „Doch genau für die Pendler, die ein gut ausgebautes ÖPNV-Netz benötigen, hätte (!) Stuttgart 21 kaum etwas gebracht. Knauß schlägt vor, endlich Alternativplanungen mit Kopfbahnhof zu entwickeln, damit Stuttgart nach dem möglichen Aus des Tunnel-Bahnhofs nicht tatsächlich von der Entwicklung zu einer echten Mobilitätsregion abgehängt wird.“
Im Juli 1999 verhängt Bahnchef Johannes Ludewig einen Baustop für Stuttgart 21.
Bei der im September 1999 veröffentlichten Auswertung der Bürgerumfrage ist ein neues Bewertungsverfahren eingeführt worden. Gegenüber dem Jahr 1997 ist kaum eine Veränderung zu registrieren.
Im Dezember 1999 wird Hartmut Mehdorn Bahnchef.
2000 – Vorstellung der Alternative „Optimierter Kopfbahnhof“ (später „Kopfbahnhof 21“ oder K21 genannt)
2001 – Planfeststellung beginnt
Im Juli 2001 schließen Bahn, Land, Stadt und Region neue Vereinbarung zu Stuttgart 21 und zur Neubaustrecke Wendlingen – Ulm ab.
Im Oktober 2001 beginnt das Planfeststellungsverfahren für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Hauptbahnhof und Fildertunnel).
Im Dezember 2001 kauft die Stadt für 459 Millionen Euro Gleisgrundstücke von der Bahn und sichert damit die weitere Finanzierung des Projekts.
2003 – Erörterungsverhandlung zum ersten Planfeststellungsabschnitt – „Kopfbahnhof 21“ 2.0
Im April findet an fünf aufeinanderfolgenden Tagen die öffentliche Erörterung des Planfeststellungsabschnitts 1.1 (Hauptbahnhof und Fildertunnel) im Kursaal von Bad Cannstatt statt.
Am Eröffnungstag sieht sich der Projektleiter der Bahn außerstande, zu erklären, warum die Bahn Stuttgart 21 bauen will. Sein Rechtsanwalt Dr. Kirchberg muß das für ihn übernehmen.
Im November 2003 werden die Ergebnisse der Bürgerumfrage 2003 veröffentlicht: 41% der Bürger haben eine positive Meinung, 38 % eine schlechte oder sehr schlechte Meinung zu Stuttgart 21.
2004 – OB Wahl: Schuster gewinnt knapp dank des Versprechens auf einen Bürgerentscheid
2005 – Gründung des Unterstützerkreises für Stuttgart 21: Banken und Baufirmen treten aus dem Schatten
2007 – Memorandum of Understanding – Der Widerstand wächst: Bürgerbegehren mit 67000 Unterschriften
2008 – Juristische Auseinandersetzung um den Bürgerentscheid
( Stand 30.12.2013 – WaybackMachine )