Totholz auf Abruf

Wegstellbäume verabschieden sich, Teil 2

Im ersten Teil zum diesjährigen Spaziergang im verteilten Schlossgarten hatten wir einen allgemeinen Überblick über den derzeitigen Zustand der Bäume gegeben. Neben weiteren Bildern zu den inzwischen abgestorbenen Bäumen, soll hier ein spezielles Beispiel gezeigt werden, dass für viele Schäden an scheinbar noch gesunden Bäumen verantwortlich ist.

Alle sogenannten Verpflanzungen wurden mit Rundspatenmaschinen durchgeführt. Die ausgestochenen Ballen hatten Durchmesser von zwei bis drei Meter, je nach eingesetztem Gerät. Die verfügbaren Maschinen wurden aber nicht den Dimensionen der Bäume entsprechend eingesetzt, sondern vordringlich nach Kriterien, die möglichst schnell, innerhalb weniger Tage, den Abschluss der Arbeiten ermöglichen.

Das Missverhältnis zwischen der größten eingesetzten Maschine und einem durchschnittlichen Parkbaum kann jeder erkennen (Baum 361).

Dabei ist zu bedenken, dass Rundspatenmaschinen zur Verpflanzung von Großbäumen aus Baumschulen Verwendung finden, bei Stammdurchmessern bis zu 30 cm. Die Mehrzahl der aus dem Mittleren Schlossgarten entfernten Bäume hatte deutlich dickere Stämme, war teilweise sogar mehrstämmig. Im Gegensatz zu Baumschulware, handelte es sich um seit Jahrzehnten eingewachsene Bäume mit starken und weitverzweigten Wurzeln. Die daraus resultierenden Beschädigungen werden sich in vielen Fällen erst langfristig auswirken, aber irreparabel sein.

Die einen zu groß, die anderen zu klein

Die Rundspaten sind viel zu klein für den Baum, es wird ein Ballen von gerade mal 1,80 cm übrig bleiben (Baum 359)
Es wird einfach abgefahren, was an der Reihe ist, egal womit (Baum 230).
Bei der Planerfüllung spielen fachliche Anforderungen keine Rolle (Baum 107).
Auch dieser verstümmelte, nun transportgerechte Baum (396) wird anschließend durch die Stadt gekarrt.

Die obigen Bilder machen eine weitere schwere Schädigung erklärbar, die nun an vielen Bäumen sichtbar wird. Die Bäume wurden mit diesen Maschinen ja nicht nur ausgerupft, sondern auch über viele Kilometer durch das Stadtgebiet gefahren. Derart lange Stämme, die nur an ihrem Ballen festgehalten werden, schwingen dann, bei hoppelnder Fahrt, auch entsprechend durch. Die Schäden in den Kronen vieler Bäume zeugen vom Aufschlagen auf die Straße oder Anecken an sonstigen Hindernissen.

Das Durchbiegen der Stämme, dazu bei starkem Frostwetter, hat offenbar dazu geführt, dass sich die Rinde vom Stamm gelöst hat. An vielen Bäumen sind nun erhebliche Längsrisse in der Rinde, bis auf den Holzkern erkennbar, die vom Baum nicht überwallt werden konnten.

Auf dem Friedhof Dornhalde stehen zwei Bergahorn (links 360, rechts 359) nebeneinander. Was noch grün ausschaut ….
… hat den Transport eben nicht überstanden. Die Krone wurde bereits herausgeschnitten …
… aber der Baum wird das trotzdem nicht (jedenfalls nicht als Baum) überleben.
Und der Stamm des bei seinem Transport abgebildeten, daneben stehenden Bergahorn 359 weist einen auf ganzer Länge verlaufenden Schaden auf ….
… der bis auf den Holzteil durchgeht.
Auch der hoch gewachsene Rotblättrige Spitzahorn 109 auf den Dornhaldenfriedhof zeigt nun einen Längsschaden am Stamm …
… der vom Baum nicht mehr auszugleichen ist.
Im Unteren Schlossgarten findet sich ein ebensolches Beispiel. Links der sehr schlecht aussehende Spitzahorn 362, rechts der bessere 416.
Auch der Spitzahorn 316 hat den charakteristischen Längsriss.

Schaut man sich Bilder und Texte von Fachfirmen für Großbaumverpflanzungen an (Plattformtechnik, Kräne und Sattelschlepper zum Transport), wird schnell deutlich, warum es von Anfang an offensichtlich war bzw. hätte sein können, dass man die Bäume aus dem Mittleren Schlossgarten lediglich als Alibi „verpflanzt“ hat: damit konnte man kostengünstig ablenken von der parallel verlaufenden Rodung des Geländes und der Zerstörung der anderen Baumriesen.

Der Bergahorn 107 sah 2015 schon sehr schlecht aus. Die Krone hatte den Transport (s.o.) erst gar nicht überlebt …
… und so bleibt auch am Bonatzweg eine nur jetzt noch auffällige Lücke.

Das Absterben der Bäume wird weitergehen

An vielen Bäumen werden nun die Schäden überdeutlich sichtbar, die durch die Verpflanzung an den Stämmen und in den Kronen verursacht wurden, oder durch das unsachgemäße Anbinden mit Stahlseilen. Davon sind leider auch die Bäume betroffen, die derzeit optisch einen ganz guten Eindruck machen. Es ist also absehbar, dass viele Bäume in den nächsten Jahren, wenn sie nicht eingehen, trotzdem beseitigt werden, weil sie eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen.

2015 verabschiedete sich die Hainbuche 120 in der Feuerbacher Heide …
…. und machte Platz für das Eidechsen-Experiment …
… da stört der Stumpf nicht mehr.
Ebenso zeigte die Hainbuche 149 bereits 2015 massive Stammschäden …
…. und wurde kürzlich entfernt.
An der Hainbuche 230 kann man die Folgen ihres oben abgebildeten Transportes noch sehen …
… und so wird auch sie bald Platz machen für weitere ökologische Aufwertungen und Kompensationen im Rahmen des Schildbürgerstreichs Stuttgart 21.

Erwartbar schlechter Zustand

Von den 68 verpflanzten Bäumen wurden inzwischen fünf abgestorbene beseitigt. 22 Bäume sind in einem sichtbar schlechten, teilweise abgängigen Zustand, bei einigen davon steht die Beseitigung unmittelbar bevor. Lediglich bei zehn Bäumen ist ein normaler Zuwachs zu erkennen – und es verwundert nicht, dass es sich dabei um die kleinsten Exemplare handelt.

Die Mehrzahl der verpflanzten Bäume verharrt immer noch in einem wachstumslosen Zustand. Das ist nach fünf Jahren sicher nicht als Erfolg zu werten. Es steht viel mehr zu befürchten, dass sich die Zahl der abgängigen und abgestorbenen Bäume weiter erhöhen wird.

Überraschend ist die ganze Entwicklung auch für Laien nicht, wenn man sich die Durchführung dieser „Verpflanzungen“ vor Augen führt. Dank der vielen aufmerksamen Fotografen konnten wir die damaligen Maßnahmen und ihre heutigen Folgen insgesamt gut dokumentieren, wenn auch nicht für jeden Baum in jedem Detail. Es reicht allerdings, um für aktuelle Auffälligkeiten notwendige Erklärungen zu finden.

Wir bleiben dran, wir bleiben oben!

Jochen Schwarz
AK Baumpaten

PS: Alle aktuellen Bilder sind hier (link) zusammengefasst. Die Internetseite der Baumpaten muss derzeit umziehen und ist vorübergehend nicht erreichbar. Die obigen links auf unsere Seite funktionieren also derzeit noch nicht – Entschuldigung. Dort können dann wie gewohnt alle Bilder in einem Archiv in ihrer zeitlichen Abfolge betrachtet werden.

– Siehe auch Teil 1 –

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