Dieter Reicherter zur Volksabstimmung an die Verantwortlichen der Politik

Offener Brief von Dieter Reicherter am 27.12.2012 an Staatsrätin Gisela Erler, Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Dr. Nils Schmid, Minister Winfried Hermann, Fraktionvorsitzenden Claus Schmiedel ( PDF )

Volksabstimmung zu S21 und die Verantwortung der Politik

Sehr geehrte Frau Erler, sehr geehrte Herren,

seit dem Eingeständnis der Bahn hinsichtlich der Kostenexplosion bei S 21 hört die Bevölkerung aus Ihrem Mund, Sie fühlten sich an das Ergebnis der Volksabstimmung gebunden und sähen keine Möglichkeit zum Projektausstieg.

Obwohl ich Jurist bin, möchte ich diese falsche juristische Auslegung nicht vertiefen und lediglich aus einem Schreiben der Frau Landesabstimmungsleiterin Friedrich vom 13.2.2012 zitieren: „ Gegenstand der Volksabstimmung war ausschließlich das S 21 – Kündigungsgesetz mit dem Ihnen zusammen mit der Stimmbenachrichtigung übersandten Inhalt. Anderslautende Medienberichte beruhen auf der Pressefreiheit und sind rechtlich irrelevant. Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“ 

Diese zutreffende Bewertung verstehe ich so, dass die anderslautenden Verlautbarungen der Landesregierung und der sonstigen Politikerinnen und Politiker auf der Meinungsfreiheit beruhen und rechtlich irrelevant sind, also vor allem die Politik nicht zur Fortführung des Projekts legitimieren.

Wenn Sie das anders sehen, bitte ich darum, den Willen der Abstimmungsmehrheit zu respektieren und das Projekt wie zur Abstimmung gebracht umzusetzen, nämlich: 

– zu Kosten von höchstens 4,526 Milliarden EURO
– unter Bewältigung von in der Spitzenstunde 30 Prozent mehr Zügen als heute angenommen, wobei dies angesichts der fundierten Kritik an den Methoden des Stresstests durch ein unabhängiges Gutachten bestätigt werden muss
– unter Einhaltung der sogenannten Schlichterempfehlung von Herrn Dr. Geißler, also der Verwirklichung von S 21 Plus, somit vor allem Überführung der Grundstücke in eine Stiftung keine Fällung von gesunden Bäumen im Schlossgarten 
Erhalt der Gäubahn
entscheidende Verbesserung der Verkehrssicherheit im Bahnhof mit Verbreiterung der Durchgänge und Barrierefreiheit der Fluchtwege
Verbesserung des Brandschutzes und der Entrauchung
Erweiterung des Tiefbahnhofs um ein 9. und 10. Gleis sowie weitere Verbesserungen im Streckennetz

Diese Vorschläge wurden von allen Beteiligten beim Faktencheck für notwendig gehalten und ihre Umsetzung von allen im Landtag vertretenen Parteien im Wahlkampf zugesagt. Sie waren Grundlage der Volksabstimmung.

Wenn Sie unter Einhaltung des zugesagten Kostenrahmens die Umsetzung des Projekts in der zugesagten Art und Weise garantieren können, mögen Sie sich trotz fehlender juristischer Relevanz der Abstimmung weiter für den Bau einsetzen. Wenn Sie aber dazu nicht in der Lage sind, fordere ich Sie auf, sich nicht länger hinter der damaligen Meinung von ca. 30 % der Abstimmungsberechtigten zu verstecken, sondern Ihre Verantwortung als Politiker wahrzunehmen. Dafür wurden Sie nämlich gewählt! 

Bitte erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, wie die technischen, juristischen und finanziellen Schwierigkeiten beseitigt werden sollen, die derzeit einem Bau im Wege stehen, falls Sie das Projekt nicht stoppen wollen. Und erläutern Sie, wie Sie verhindern wollen, dass später eine gigantische Bauruine entsteht. Beantworten Sie auch, wie Sie im Rahmen einer kritischen konstruktiven Begleitung für die Einhaltung der Schlichterempfehlung sorgen wollen, also vor allem für effektiven Brandschutz und Einhaltung der Leistungssteigerung. 

Frau Staatsrätin Erler hat mir mit Schreiben vom 3.12.2012 in Bezug auf die Baumfällungen im Schlossgarten vom Februar 2012 mitgeteilt: „Am Ende möchte ich Ihnen aber zustimmen, dass sich die Befürchtungen leider bestätigt haben, dass die Baumfällungen zwar rechtlich zulässig und genehmigt, aber durch die Verzögerungen sachlich nicht geboten waren.“

Welche Konsequenzen ziehen Sie als Verantwortliche aus dieser bitteren Erkenntnis für das weitere Vorgehen, insbesondere die anstehenden Baumfällarbeiten im Rosenstein – Park?

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Reicherter 

0 Gedanken zu „Dieter Reicherter zur Volksabstimmung an die Verantwortlichen der Politik“

  1. „Diese zutreffende Bewertung verstehe ich so, dass die anderslautenden Verlautbarungen der Landesregierung und der sonstigen Politikerinnen und Politiker auf der Meinungsfreiheit beruhen und rechtlich irrelevant sind, also vor allem die Politik nicht zur Fortführung des Projekts legitimieren.“

    Leider versteht Herr Reicherter dies falsch.

    Die Regierungskoalition hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine VA durchzuführen, das Ergebnis anzuerkennen.
    Aufgrund des Koalitionsvertrages sind die Regierungsparteien nun gebunden.

    Im weiteren widerspricht Reicherter sich selbst, wenn er einerseits darlegt, dass nur über die Ausübung von Kündigungsrechten abgestimmt wurde, nun aber die Einhaltung einer Vielzahl von Bedingungen fordert, über welche gar nicht abgestimmt wurde.

    1. Ich möchte darauf hinweisen das Herr Reicherter diesen Text zur Veröffentlichung verteilt hat aber sich (wahrscheinlich) nicht hier zu einer Diskussion stellen wird. Natürlich kann es sein das er den Beitrag hier verfolgt und evtl antwortet aber das wäre dann eher Zufall. Denke nicht das er die zahlreichen Veröffentlichungen seiner Texte alle verfolgen kann.

  2. Ich bedanke mich für diesen einfachen und inhaltlich klaren offenen Brief. Auch wenn ich Zweifel habe, dass die Adressaten noch mit normalen kommunikativen Mitteln erreicht werden können.
    Ihr Raumschiff schwebt irgendwo im Off …. und ihre Exkremente landen auf unseren Köpfen.

  3. ende der veranstaltung!
    es ist nicht nur lächerlich und absurd wie hier das recht und die demokratischen spielregeln missachtet werden.
    größe zeigen und einsicht!
    oben bleiben
    stefano

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