Matthias von Herrmann (Pressesprecher der Gruppe Aktive Parkschützer) schreibt:
Rückabwicklung des Gleisflächen-Kaufs zum finanziellen Wohle der Stadt?
Stuttgart, den 13.04.2012Sehr geehrte Frau Wilhelm,
Sie bewerben sich um das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart, da interessiert es uns, wie Sie zu aktuellen Fragen in der Stadt stehen: Vor zwei Wochen entschied der Stuttgarter Gemeinderat erneut über das Bürgerbegehren ‚Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21‘, das von 35.000 Bürgern unterschrieben wurde.
Um das Tunnelprojekt Stuttgart 21 zu ermöglichen, hat die Stadt Stuttgart nicht nur direkte finanzielle Beteiligung zugesagt, die Stadt hat auch das Gleisvorfeld des bestehenden Bahnhofs als vermeintliches Bauland gekauft – und hat damit ein ausgesprochen schlechtes Geschäft gemacht.
Auf den teuer bezahlten ‚Baugrundstücken‘ werden wohl auch in den nächsten hundert Jahren Züge fahren, denn Bahngleise dürfen nicht einfach abgebaut werden. Die Stuttgarter Netz AG hat bereits angekündigt, dass sie den Kopfbahnhof für zukunftsweisend hält und ihn weiter betreiben wird, sobald die Bahn ihn aufgibt – das kann ihr niemand verwehren, so sagt es das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) und so ist es in einschlägigen Referenzurteilen bestätigt.
Um zu vertuschen, dass der Kopfbahnhof und sein Gleisvorfeld nicht einfach stillgelegt und zu Bauland gemacht werden können, behauptet die Bahn, der neue Tunnelbahnhof sei leistungsfähiger als der bestehende Kopfbahnhof. Dass es gerade umgekehrt ist, hat im November letzten Jahres auch des Verkehrsministerium offiziell bestätigt. Die kürzlich von den Ingenieuren22 gefundenen Unterlagen belegen, dass die Bahn schon seit 1997 weiß, dass Stuttgart 21 deutlich weniger leistet als der bestehende Kopfbahnhof, dass dieser Kopfbahnhof also nicht stillgelegt werden kann, da der Rückbau von Bahninfrastruktur nicht zulässig ist.
Alles in allem ist festzuhalten, dass der noch amtierende Oberbürgermeister Wolfgang Schuster auf Kosten der Stadt gründlich betrogen wurde: Er hat weitgehend ‚wertlose‘ Gleisflächen zum Preis von teurem Bauland gekauft und so de facto der Bahn viel städtisches Geld geschenkt.
Das im Bürgerbegehren vorgeschlagene Vorgehen bietet der Stadt die Möglichkeit, aus diesem für die Stadt sehr nachteiligen Geschäft wieder herauszukommen. Wird Stuttgart 21 gestoppt, so muss die Bahn weit über 700 Mio. € an die Stadt Stuttgart zurückzahlen (459 Mio. € Kaufpreis + Zinsen), das ist vertraglich festgelegt. Durch die Anfechtung der grundgesetzwidrigen Mischfinanzierung kann die Stadt Stuttgart nicht für eventuelle Ausstiegskosten haftbar gemacht werden.
Würden Sie in dieser Sache im Sinne des städtischen Haushalts entscheiden? Wie würden Sie mit dem Bürgerbegehren ‚Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21‘ umgehen? Sollte die Stadt Stuttgart ihre Mitgliedschaft im „Projekt Stuttgart 21“ förmlich beenden, indem sie sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung beruft, die Projektverträge kündigt und weitere Zahlungen unterlässt?
Mit freundlichen Grüßen
Matthias von Herrmann