Vor ein paar Jahren boomten auch in Deutschland die Wettbewerbe im „Scharf Essen“, mittlerweile gehen sie glücklicherweise wieder etwas zurück. Hier steht meist im Vordergrund wer am meisten Scharfe Chilis, Chilisaucen und Extrakte zu sich nehmen kann bevor er oder sie sich übergeben muss. Fragwürdig war der Sinn solcher Veranstaltungen für mich als langjährigem Chililiebhaber schon immer. Ich verstehe zwar warum die Veranstalter diese Wettbewerbe machen, weil so viele Menschen dabei zusehen und es die Medien interessiert. Ich verstehe auch warum so viele dabei zusehen, es ist der gleiche Grund warum es auf der Autobahn bei einem Unfall immer Stau in der Gegenrichtung gibt. Auch die Medien interessieren sich nur aus Sensationslust und Schadenfreude dafür und warten seit Jahren bereits auf Ereignisse wie dieses Jahr „The Journal of Emergency Medicine“ berichtet.
Ein Mann nahm an einem Wettbewerb im Scharfessen teil und wurde danach mit einem Lebendgefährlichen Riss in der Speiseröhre ins Krankenhaus eingeliefert. Der Mann hatte zuvor (wohl unter anderem!) einen Hamburger mit einer „Ghost-Pepper“ Chilisauce zu sich genommen. (Und danach übrigens immerhin noch sechs große Gläser Wasser getrunken…) Der Kunstname „Ghost-Pepper“ bezieht sich hierbei meist auf die Chilisorte „Bhut Jolokia“ und galt von 2006 bis 2012 als die schärfste Chilisorte der Welt. Was der Mann davor bereits aß oder wie seine persönliche Vorbelastung aus Medizinischer Sicht war wird natürlich nicht groß berichtet. Natürlich interessiert das die Medien auch nicht den diese warten ja schon seit langem auf so eine Story und stürzen sich mit reißerischen Titeln wie „Mann stirbt bei Wettessen fast an Bhut-Jolokia-Chili“ auf die Geschichte. (Man beachte das kleine Wort „fast“ das natürlich schön weit hinten stehen muss…)
Natürlich ist hier nicht mehr wichtig das dieses sogenannte „Boerhaave Syndrom“ äußerst selten vorkommt. Genauso wenig interessiert die Tatsache das selbst der Bericht im „The Journal of Emergency Medicine“ erwähnt das dieses seltene Krankheitsbild meist allgemein mit starkem Erbrechen (warum auch immer!) zu tun hat und zb. auch beim sehr umstrittenen und gefährlichen Youtube-Trend „Zimt-Challange“ vorkommen kann. Nein da ist natürlich ein Satz wie dieser „Im „Journal of Emergency Medicine“ erschien nun ein Report über den Mann, der so scharf aß, dass sich ein Loch in die Speiseröhre ätzte.“ viel besser. Eine „Verätzung“ ist übrigens eine Verletzung durch Säure oder Lauge. Das für die Schärfe in Chilis verantwortliche Capsaicin ist allerdings weder eine Säure noch eine Lauge. Das Boerhaave-Syndrom entsteht hingegen in der Regel durch einen plötzlichen und starken sowie unerwarteten Druckanstieg in der Speiseröhre bei gleichzeitig negativem Druck innerhalb des Brustkorbs. Das was dem Mann passierte ist also offensichtlich das glatte Gegenteil von „ein Loch in die Speiseröhre geätzt“! Aber was interessieren schon Fakten wenn man endlich eine Schlagzeile bringen kann.
Fakt ist das scharfe Chilis in vernünftiger Form zu sich genommen keinerlei schädliche Wirkung zeigen. Seit vielen Jahren und in unzähligen Ländern beweist sich dies jeden Tag aufs Neue. Was sich natürlich auch täglich immer wieder (auf zb. Youtube) zeigt ist dass der extreme Missbrauch von Stoffen egal welcher Art gesundheitsgefährdend ist. Sei es nun Chili, Zimt, Alkohol oder auch nur Wasser in unnatürlichen Mengen. Lasst den Blödsinn doch einfach! Beweist euch selbst das ihr stärker seid als der Bullshit-Trend. Der wahre Chilihead braucht keinen Wettbewerb.
In diesem Sinne wünsche ich allen Chiliheads einen sensationsfreien und würzig scharfen Tag.
shake well – handle with care.
LoB