Wasser geht uns alle an!

Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 3

Flaschen_kleinAm 15.7. beginnt also tatsächlich die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen gegen die Planänderungen zur Grundwassermanipulation. Es wurden weit über 10.000 Einwendungen gegen dieses Vorhaben eingelegt. Ohne die Planänderung können die Baugruben für den Sargbahnhof nicht ausgehoben werden. Derzeit haben wir also faktisch einen Baustopp der zentralen Planabschnitte im Talkessel der Stadt. Weil dieser Erörterungstermin so überaus wichtig ist, werden wir in dieser Rubrik nun täglich kurze Informationen verschiedener Autoren zu der Erörterung anbieten. MOBILISIERT EUCH!

Wasser ist die vielleicht wichtigste Voraussetzung für Leben. Die BRD ist relativ gut bedient, denn die Niederschläge sind höher (noch), als die Verdunstung und der Verbrauch. Trinkbares Wasser ist trotzdem eine Kostbarkeit, die unter besonderem Schutz steht. Mineralwasser stellt dazu eine Steigerung dar, denn seine Zusammensetzung ist etwas besonderes, sein Vorkommen relativ selten. Stuttgart verfügt über das zweitgrößte Mineralwasservorkommen in Europa.

Der Eingriff in die Natur und das Experiment der Bewältigung

Das Bauprojekt Stuttgart 21 greift mit seinen Tunnelbauwerken tief in den Untergrund ein. Betroffen sind Schichten, die zur Grundwasserneubildung dienen, oder die das unter Druck stehende, tiefer anstehende Mineralwasser am Aufstieg hintern. Dies alles befindet sich derzeit in einem relativen Gleichgewicht. Um nun trockene Baugruben zu bekommen, die bis zu 30 Meter unter der Erdoberfläche liegen, muss massiv nachfließendes Grundwasser aus den Gruben abgepumpt werden. Das dadurch entstehende Defizit soll durch Einleitung an anderer Stelle so ausgeglichen werden, dass ein Kreislauf entsteht, der die Wasserverhältnisse in Stuttgart weitestgehend stabil hält. Diese Aufgabe heißt Grundwassermanagement.

Die Bahn musste nun, mit dem Planänderungsantrag vom Mai 2011 eingestehen, dass ihre Annahmen, Berechnungen und Planungen, wie sie im Planfeststellungsbeschluss 2005 festgeschrieben wurden, nicht der erwarteten Realität entsprechen. Der Umfang der Manipulation der Wasserströme im Untergrund muss deutlich massiver ausfallen (und ob jetzt die Annahmen richtig sind, weiß auch niemand). Das führt zwangsläufig zu einer Erhöhung der damit verbunden Risiken.

Ein hochriskantes Vorhaben

Die Entnahme von Grundwasser in großen Mengen an bestimmten Stellen führt zu sogenannten Trichtern im Umfeld. Das kann örtlich zu Setzungen im Untergrund führen, durch Verlust und durch schnelleres Fließen des Wassers in Richtung der Entnahme. An der Oberfläche sind davon Bauwerke betroffen und die Vegetation. Über einen langen Zeitraum tritt eine Änderung der Strömungsverhältnisse im Untergrund ein, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Durch die Änderung unterirdischer Strömungen können auch Altlasten, die heute relativ beständig in einem Gebiet festliegen, an andere Orte verlagert werden und heute noch sauberes Wasser verschmutzen.

Das entnommene Wasser aus den Baugruben muss gereinigt und an anderen Stellen wieder den Wasserschichten zugeführt werden. Auch an diesen Orten tritt also eine Veränderung der Wasserverhältnisse ein. Auch hier sind vor allem Bauwerke und die Vegetation betroffen. Besonders in Hanglagen kann es durch die erhöhte Feuchtigkeit des Untergrundes und das Einfließen großer Wassermengen zu Rutschungen der Oberfläche kommen.

Grundsätzlich muss man von einem Versuch sprechen, ein punktuelles Defizit über einen großen Raum und eine lange Zeit auszugleichen, als wäre trotzdem noch alles im ruhenden Gleichgewicht. Würde dieses Gleichgewicht trotzdem gestört, käme es unweigerlich zum Aufstieg des Mineralwassers, weil der oberhalb stattfindende Masseverlust zu groß ist. Eine Durchmischung der Wässer wäre die Folge, und ebenso ein Versiegen der Heilquellen möglich. Es wäre ein wirtschaftlich großer Schaden, auch für das Ansehen Stuttgarts und Bad Cannstatts. Um dieses Risiko auszugleichen (man kann auch vertuschen dazu sagen) ist in solchen Fällen die Einleitung erheblicher Mengen von Trinkwasser in den Untergrund vorgesehen, das dort nicht hingehört.

Deshalb: Unser Wasser ist uns nicht egal!

Die Bahn und ihre Gutachter müssen nachweisen, dass immer noch die Wasserströme und -schichtungen in einem ungefährdeten Gleichgewicht bleiben, obwohl die abzupumpenden Wassermengen verdoppelt werden müssen.

Die siebte Planänderung ist für das Bauprojekt von zentraler, flächendeckender Bedeutung. Die Änderungen betreffen das Kerngebiet der Stadt Stuttgart umfassend und damit die Lebensgrundlagen aller Einwohner. In dem Genehmigungsverfahren geht es also für alle Seiten um sehr viel, wenn nicht um Alles. Auch wer keinen Einspruch eingelegt hat, hat allen Grund, sich für die Erörterung zu interessieren.

In eigener Sache:

Wir freuen uns über angeregte Diskussionen und Kommentare, hier und im Parkschützer-Forum. Wir bemühen uns, alles zu lesen, und offene Fragen in dieser Artikel-Serie zu behandeln. Wir freuen uns auch, wenn sich weitere Autoren mit eigenen Beiträgen beteiligen möchten oder Hinweistexte für die weitere redaktionelle Bearbeitung geben.

Hintergrundinformationen zum Grundwassermanagement und zur Planänderung finden sich u.a. in diesen Artikeln und Seiten:

Artikel sww, Ausgetrocknet vor dem ersten Pumpversuch
Artikel sww, Bewohner des Kernerviertels fordern umfassende Risikenaufklärung
Artikel sww, Grundwasserthema bleibt ein großes Problem
Artikel geologie21, Stellungnahme des Landesamtes für Geologie
Internetauftritt, Klage von Rechtsanwalt Arne Maier gegen das Planänderungsverfahren

Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie

Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?

21 Gedanken zu „Wasser geht uns alle an!“

  1. In den 80er Jahren wurden in einigen Mineralquellen erhöhte Werte von Giftstoffen festgestellt. Dies führte unter anderem zur Einstellung des „Cannsattter Sprudels“. Der Verschmutzungsherd wurde nie genau lokalisiert, man weiß aber sicher das Teile des Mineralwassers im Untergund aus Richtung Feuerbach zufließen. Etwa zur gleichen Zeit gab es in Feuerbach erhbeliche bauliche Tiefeneingriffe für neue Stadtbahn und S-Bahn-Linien. Evtl. haben diese die Schadstoffe mobilisiert und/oder Vebindungen zum Mineralwasser aktiviert, die die Verschmutzung ins Mineralwasser gelangen ließen. Ist dieses Szenario bei den geplanten Teifeneingriffen für S 21 mit geänderten Grundwassermengen ausgeschlossen bzw. welche Maßnahmen wurden im Vorfeld getroffen um möglich Verlagerungen von Giftstoffen ins MiWa zu verhindern?

      1. Danke Gerhard Haberl

        Aus http://cams21.de/risiken-fur-das-cannstatter-mineralwasser-durch-chemische-altlasten/:

        „Das bedeutet, dass die Risiken für die Mineralquellen heute eben noch nicht seriös abgeschätzt werden können, sondern erst frühestens ab dem Jahre 2014 – wenn überhaupt.“

        „Allein auf Grund dieses Sachverhalts sollte die Stadt Stuttgart vorsorglich auf einen Baustopp S 21 hinwirken, zumal Herr OB Schuster wiederholt bekräftigt hat, dass eine Gefährdung der Mineralquellen für ihn ein Auschlusskriterium für S 21 wäre.Vor diesem Hintergrund ist es auch kaum glaublich, dass das Thema Mineralwasser in der sog. S21 Schlichtung (Schlichter: Heiner Geissler) praktisch keine Rolle gespielt hat.“

        „Zu erwähnen ist, dass es in der Vergangenheit manche Warnungen betreffend Wechselwirkungen zwischen Baumassnahmen und Grundwasserverhalten gegeben hat, welche jedoch kaum ernst genommen bzw. heruntergespielt wurden:

        So erfolgten in den 1970iger Jahren zeitweilige Schüttungseinbrüche bedeutenden Cannstatter Mineralquellen um ca. 30 Prozent.
        In dieser Zeit erfolgten Baumaßnahmen für S-Bahn und U-Bahn im Stuttgarter Talkessel.
        Auch der massive Wassereinbruch im Jahre 2010 in die Keller des Hauses der Geschichte in der Konrad Adenauer Strasse 16, wurde wohl nicht als Warnung verstanden – auch nicht der massive Wassereinbruch im tiefsten Geschoss der Sendezentrale des Südwestrundfunks in der Neckarstrasse 230.

        Die Stuttgarter Presse jedenfalls hat über diese gravierenden Vorkommnisse nicht und wenn, dann nur recht oberflächlich berichtet.“
        ….
        ….
        Thomanetz
        Mai 2012
        Presseerklärung:
        Professor (i.R.) Dr.-Ing. Dipl.-Chem. Erwin Thomanetz
        Heidehofstraße 39
        70184 Stuttgart
        Tel: 0711-464603
        mobile: 0151-266 376 471

  2. Danke und Respekt für die Mobilisierungs- und Motivationsinfos!

    Gut finde ich auch hier die Infos:
    OBERIRDISCHER Röhrendschungel durch Stuttgart – Blaue Grundwasser Rohre:

    Bewohner von Stuttgart und Besucher, sind viel zu wenig informiert, was dieser Tiefbahnhof alles für Maßnahmen mit sich bringt. Wie Stuttgart´s Stadtbild verändert wird, mit was für dauerhaften Folgen wir zu rechnen haben …

    Stadtplaner Engelbert Rolli, machte bei der Montags-Demo am 11.10.2010, nochmals darauf aufmerksam, dass 17 km Oberirdische-Rohre mit S21, dann das Stuttgarter Stadtbild „verschönern“!

    ….Plan ansehen, s. http://www.blaue-grundwasser-rohre.de/ :
    Man achte aber bitte darauf:
    – Es sind keine eingezeichnete 17 km Rohre auf dem Plan, sondern nur ca. 6,74 km (einschl. Rohr zum Neckar), dass heißt es fehlen ca. 10,26 km Rohre, die die Bahn noch verschweigt und das „Blaue Wunder“ steht uns noch bevor!

    Rohre an Stellen die wir heute weder wissen, noch erahnen.
    – Keine 90 Brunnen sind im Plan verzeichnet, auch da werden Bürger getäuscht.

    Im Endeffekt bedeutet dies, dass wir zukünftig 17 Km lange Wasserrohre
    in einer Höhe von bis zu 4,5 m kreuz und quer durch die Stuttgarter Innenstadt haben werden.
    Sichtbar!

    Immobilienpreise werden in den betroffenen Straßen fallen,
    der Tourismus wird zurück gehen und Stuttgart verkommt vollends zu einer zugebauten, hässlichen Stadt!

    Gestützt werden seine Aussagen durch Dokumente, die man auf den Seiten des EBA findet: http://www.eba.bund.de/cln_015/nn_202702/DE/Infothek/PF/Beschluesse/BW/bw__node.html?__nnn=true

    Ist eine Menge Stoff, zeigt aber, dass auch NACH der Bauphase das Grundwasser weiterhin über den Tiefbahnhof geleitet werden muss.

    Mehr? Gerne hier:
    http://www.blaue-grundwasser-rohre.de/

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