Verteidigungsrede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann

Dipl.-Ing. Hans Heydemann (beratender Ingenieur für Energie- und Anlagentechnik) wurde gestern am 18.07.12 vor dem Stuttgarter Amtsgericht wegen unerlaubter Anwesenheit im Mittleren Schloßpark am 15.2.2012 verurteilt.

Archivbild

Anbei seine Verteidigungsrede in der er klar erläutert wieso er dieses Urteil nicht akzeptieren kann und dem Vernehmen nach in Revision gehen will. Er jedenfalls würde als unbescholtener Bürger nicht die Strafe zahlen, er forderte den Richter auf ihn ins Gefängnis zu schicken.

Ein kurzer Auszug eines Berichtes einer Prozessbeobachterin:
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„Es folgte eine Pause. Der Richter kam wieder rein und verkündete das Urteil. Wie erwartet zog er den Bußgeldbescheid nicht zurück (ist ja auch Anweisung von „oben“). Der Beklagte muss auch die Gerichtskosten tragen.Begründung: Das Betretungsverbot der Stadt galt, die Polizei war beauftragt,das umzusetzen, die Versammlung war aufgelöst, dagegen hatte der Richter keine Bedenken, alles i.O.(rein formaljuristisch). Es ging nicht um „S21“, es ging zudem um die Räumung der Zeltstadt (Gelächter). Eine Abwägung lässt sich nicht vornehmen. Baurecht gilt. Solange wie es gilt, gilt das für ihn (den Richter)..
Ein Zuschauer äußerte sich empört, es wurde laut, Zuschauer ging laut raus, Richter verhängte Ordnungsgeld, weitere gingen solidarisch mit raus, Richter verärgert, Schluss der Verhandlung wohl abgebrochen. Kurz darauf ist der Richter rot vor Wut aus der Seitentür raus und schnell durch die Menge im Flur durch. Viele riefen „Schande, Schande“

Es lief also wie erwartet.
Zitatende

Weitere Prozessbeobachter sprechen von Tumulten im Gerichtsaal – ein Zuschauer wurde vom Richter des Saals verwiesen und mit einem Ordnungsgeld von 100 Euro belegt. Verteidiger Dr. Eisenhart von Loeper schlug vor Zitat „Er meinte zum Richter,dass er das Verfahren nur für wenige Wochen aussetzen solle, bis über einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht entschieden ist (geht um Hauseigentümer der gegen den Abriss seines Hauses geklagt hatte.)“ Zitatende dem folgte der Richter allerdings nicht.

Hier nun die ungekürzte Rede von Herr Heydemann:
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VERTEIDIGUNGSREDE
Ich bestreite die moralische Rechtmäßigkeit, meinen Aufenthalt im Mittleren Schloßgarten in jener Nacht des 15.2.2012 als Ordnungswidrigkeit ahnden zu wollen und darüber ein Bußgeld zu verhängen.

Vielmehr stellen das erlassene Betretungs-Verbot der öffentlichen Parkanlage und die besagte „Auflösung einer öffentlichen Versammlung“ über Polizei-Lautsprecher, mit denen die mir zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit begründet wird, ihrerseits eine Rechtsbeugung dar, dienten diese doch einzig dem Zweck, die Zerstörung eben dieser öffentlichen Parkanlage, wichtige innerstädtische Grün- und Erholungsanlage der Stuttgarter Bevölkerung sowie unersetzlicher Lebensraum gefährdeter Arten, für das unrechtmäßig beschlossene Vorhaben „Tiefbahnhof S-21“ durchzusetzen.
Mit meiner Anwesenheit im Mittleren Schloßgarten in jener Nacht des 15.2.2012 habe ich unter Inanspruchnahme meiner verfassungsmäßigen Rechte gemeinsam mit mehr als zweitausend anderen besorgten Bürgerinnen und Bürgern gegen die bevorstehende Park-Zerstörung und gegen die fortdauernden wirklichen Rechtsverletzungen bei diesem S-21 –Vorhaben durch die Deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin (wie nachfolgend näher beschrieben) friedlich demonstriert. Ich habe keinerlei Gewalt angewendet und bin mir auch keiner Rechtsverletzung bewußt!

Begründungen

1) Fehlende Rechtfertigung des Vorhabens „Tiefbahnhof S-21“ – Baurecht erschlichen
Das Vorhaben „Tiefbahnhof S-21“, mit dem der bestehende Stuttgarter Kopfbahnhof mit seinen 17 Gleisen abgelöst und durch einen unterirdischen 8gleisigen Durchgangsbahnhof ersetzt werden soll, wurde gegenüber der Öffentlichkeit und den Volksvertretern im Stuttgarter Gemeinderat wie auch im Landtag von Baden-Württemberg als „doppelt so leistungsfähig“ dargestellt – eine unerhörte Täuschung, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Behauptet wurde die „Beseitigung des Engpasses Stuttgarter Hauptbahnhof“.
Tatsächlich aber werden mit dem Vorhaben keine Engpässe beseitigt, sondern überhaupt erst geschaffen! Die wider besseres Wissen behauptete doppelte Leistungsfähigkeit gegenüber dem bestehenden Kopfbahnhof ist eine unerhörte Täuschung sowohl der Öffentlichkeit als auch der Volksvertretungen. Der jetztige Kopfbahnhof mit seinen insgesamt 17 Gleisen hat eine Leistungsfähigkeit von 50 Zügen in der Spitzenstunde, mit geringem Kostenaufwand zu verbessern auf 56 Züge je Stunde, wie durch ein Gutachten von Vieregg & Rössler 2011 festgestellt und vom NVBW nach Überprüfung bestätigt wurde. Im Jahr 1969 – vor Aufnahme des S-Bahn-Verkehrs – verkehrten hier lt. damaligem Fahrplan 64 Züge in der Spitzenstunde.

Die behauptete doppelte Zugleistung würde somit bedeuten, daß in dem geplanten 8gleisigen Tiefbahnhof S-21 mindestens 100 Züge je Stunde fahren können müßten, also je Gleis alle 4 Minuten 48 Sekunden ein Zug! Das ist völlig unmöglich, das schafft nicht einmal die Pariser Metro!

Geplant ist der 8gleisige Tiefbahnhof S-21 jedoch für lediglich 30 Züge je Stunde in der Hauptverkehrszeit gemäß Vorgabe der Bahn von 1997 an den Gutachter Durth Roos Consulting/Darmstatt zur Erstellung einer Personenstrom-Analyse – mehr hielt die Bahn seinerzeit nicht für notwendig – und auch nicht für wünschenswert. Diese vorgesehene Leistungsfähigkeit ergibt sich u.a. auch aus dem Schwanhäußer-Gutachten von 1997], in welchem für den 8gleisigen Tiefbahnhof eine maximale Leistungsfähigkeit von 32 bis 35 Zügen und eine obere Grenzleistung von 39 Zügen je Stunde bescheinigt wurde. Auch dem PFB 1.1 von 2003 liegt diese Zugzahl zugrunde, s. PFB 1.1 Abschn. 3.3.1. „Dimensionierung der Anlage“

Dabei hatte die Bahn 2001 den Bau des Tiefbahnhofes auch mit der Behauptung rechtfertigt, der bestehende Kopfbahnhof würde ab 2010 den Verkehr nicht mehr bewältigen können. Tatsache ist hingegen, daß dieser auch heute, 2012, und selbst nach der Kappung von zeitweilig insgesamt vier Gleisen immer noch seine Aufgabe in vollem Umfang erfüllt und dies auch zukünftig tun kann und wird.

Daran ändert auch die Behauptung der Bahn vom bestandenen „Streßtest“ gar nichts; denn die angeblich damit nachgewiesenen 49 Züge in der Spitzenstunde sind weniger als die bisherige Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofes mit 50 Zügen je Stunde! Und der Konzernbevollmächtigte der DB, Herr Fricke hatte kürzlich beim Filder-Dialog geantwortet, es sei nie vorgesehen gewesen, diese 49 Züge je Stunde auch tatsächlich zu fahren!
Zum andern ist der von der Bahn durchgeführte Streßtest in mehrfacher Weise fehlerhaft, so daß von einem Bestehen des Testes gar keine Rede sein kann. Allein schon die Bewertung „wirtschaftlich optimal“ – was nichts anderes bedeutet als „schlechte Betriebs-Qualität“ – entspricht nicht der hierfür vom Schlichter Dr. Heiner Geissler geforderten „guten Betriebsqualität“, was im übrigen auch aus dem vom bestellten Auditor SMA hierzu verfaßten Prüfbericht hervorgeht.

Wie zwischenzeitlich von Dr. Engelhard u.a. nachgewiesen, hat die Deutsche Bahn bei der Streßtest-Durchführung ihr eigenes Regelwerk nicht eingehalten, um so überhaupt auf die 49 Züge je Spitzenstunde zu kommen.

Weiterhin wurde von C. Fleischmann aufgedeckt, daß das für den „Streßtest“ von der Bahn eingesetzte Rechenprogramm „Railsys“ mit einem Software-Fehler behaftet ist, der das Testergebnis um 2 bis 3 Züge je Stunde besser rechnet als zulässig wäre.
Dr. Engelhard spricht hier von einem „Wissenschaftlichen Jahrhundert-Betrug der Bahn“ und weist nach, daß im geplanten Tiefbahnhof S-21 tatsächlich nur jene 32 bis 35 Züge je Stunde möglich sind, die bereits der Gutachter Schwanhäußer 1997 bescheinigt hatte, aber nicht wesentlich mehr; an die Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofes mit 50 Zügen je Stunde kommt der unterirdische Durchgangsbahnhof S-21 auch nicht annähernd heran. Ebensowenig ist dieser zukünftig erweiterungsfähig.
Anstatt eine Verdoppelung wie vorgegeben oder überhaupt auch nur eine Vergrößerung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofes stellt der vorgesehene unterirdische 8gleisige Tiefbahnhof S-21 in Wirklichkeit eine Verringerung der Leistungsfähigkeit auf nur noch 60 % der bisherigen Leistungsfähigkeit dar! Dies bedeutet einen wesentlichen Rückbau vorhandener Schienen-Verkehrsanlagen im Stuttgarter Eisenbahnknoten!

Damit ist die Rechtfertigung für dieses Vorhaben hinfällig! Die hierzu eingegangenen Verträge sind nur durch Täuschung zustande gekommen und somit anfechtbar und nichtig!

2) Finanzierung nicht rechtmäßig – Vorhaben unwirtschaftlich
Im November 2009 hatte die Deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin mit der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart eine „Finanzierungsvereinbarung“ für das Vorhaben „Stuttgart 21“ getroffen, in der ein oberer Kostenrahmen von 4,523 Mia. € festgelegt worden ist. Obgleich mit den eigentlichen Baumaßnahmen noch gar nicht begonnen wurde, ist heute schon absehbar, daß dieser Kostendeckel nicht ausreichen und das gesamte Vorhaben erheblich teurer werden wird. Überdies hatte die Bahn bereits festgestellte Kostensteigerungen zurück-gehalten und so bewußt die Parlamente vor entscheidenden Abstimmungen getäuscht. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die bekannt gewordene vertrauliche Anweisung des Herrn Fricke von der DB AG, die festgestellten Kostensteigerungen vor der Abstimmung im Bundestag über den Bundesverkehrswegeplan nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen!

Zugleich wird deutlich, daß das Vorhaben S-21 nicht wirtschaftlich sein wird; das Nutzen-/ Kostenverhältnis wird unter 1,0 liegen.

Daß dafür auch noch mehr als 4,5 Milliarden € öffentlicher Gelder verschwendet werden sollen, ist haushaltsrechtlich nicht zulässig. Diese Gelder fehlen jedoch in den ohnehin überschuldeten öffentlichen Haushalten und müssen durch weitere Schulden-Aufnahmen aufgebracht werden mit der Folge jahrzehntelanger Zins- und Tilgungszahlungen – unverantwortbar gegenüber unseren Kindern und Enkeln!

Als Folge werden andere wichtigere und viel sinnvollere Vorhaben wie der Ausbau der Rheintalstrecke oder die Wiederherstellung der durchgehenden Zweigleisigkeit der Gäubahn zwischen Horb und Tuttlingen und die Elektrifizierung der Südbahn immer weiter zurückgestellt, außerdem das Nahverkehrsangebot weiter ausgedünnt anstatt dieses zu erweitern.

Zudem ist die Durchführung eines Schienen-Verkehrsvorhabens alleinige Sache des Bundes, die Finanzierung durch Stadt und Land folglich verfassungswidrig!

3) S-21 durch die Volksabstimmung nicht legitimiert
Bei der am 27.11.201 durchgeführten Volksabstimmung war allein zu entscheiden, ob das Land Baden-Württemberg Kündigungsrechte zum Finanzierungsvertrag wahrnehmen soll, nicht aber, ob der Tiefbahnhof S-21 nun gebaut werden soll oder nicht. Dies daraus ableiten zu wollen, verstößt gegen das Verfassungsrecht.
Bei einer Wahlbeteiligung von nur 47 % haben zwar mehr Wähler mit NEIN gestimmt als mit JA; die Mehrheit der Wahlberechtigten sind diese aber bei weitem nicht (nur rd. 27 %!), das Wahl-Quorum von 33,3 % wurde also auch von diesen weit verfehlt!
Das Wahlergebnis ist von 16 Einzelklagen beim Staatsgerichtshof wegen erheblicher Wahlbeeinflussung durch Amtsträger angefochten worden und somit auch noch nicht rechtskräftig.

4) Schwere Sicherheitsrisiken und unzureichende Barrierefreiheit im Tiefbahnhof S-21
Der geplante unterirdische Tiefbahnhof S-21 mit seinen insgesamt 66 km Zulauftunnels weist erhebliche Sicherheitsrisiken insbesondere im Brand- und Katastrophenfall auf, die so im bestehenden oberirdischen Kopfbahnhof gar nicht vorhanden sind. Bei einem schweren Brand-Ereignis im Tiefbahnhof können die Reisenden nur nach oben über die mehr als 7 m hohen und zu engen Treppen auf die Querstege flüchten – geradewegs in die sich sehr schnell dort ausbreitende tödliche Rauch- und Qualmschicht hinein!
Für mobilitätseingeschränkte Personen, die auf die Aufzüge angewiesen sind, gibt es in einem solchen Fall gar kein Entkommen, denn im Brandfall müssen die Aufzüge aus Sicherheitsgründen außer Betrieb sein. Die vom Schlichter Dr. Heiner Geissler geforderte umfassende Barrierefreiheit, bei der jeder Rollstuhlfahrer den Bahnsteig aus eigener Kraft verlassen können muß, läßt sich in dem geplanten Tiefbahnhof gar nicht erreichen – der bestehende oberirdische Kopfbahnhof hingegen ist ebenerdig und vollständig barrierefrei. Zudem ist dort eine bedrohliche Verrauchung der Bahnsteige ausgeschlossen, weil Rauch und Brandgase auch bei einem schweren Brandereignis ungehindert nach oben abziehen können und sich nicht in den Aufenthaltsbereich hinein ausbreiten.
Im unterirdischen Tiefbahnhof wird hingegen bewußt in Kauf genommen, daß dort bei einem schweren Brandfall eine größere Anzahl Reisender wie auch Bahn-Mitarbeiter um Leib und Leben kommen können.

Erst recht gilt dies für ein solches Ereignis in einem der Zulauftunnels, die zur regelrechten Todesfalle werden, weil ein schnelles Entkommen daraus schlicht unmöglich ist. Hier füllt der tödliche Rauch in wenigen Minuten den gesamten Tunnel-Querschnitt zwischen zwei Rettungsstollen im Abstand von 500 m; die Überlebenschancen für Betroffene sind dabei äußerst gering! Die vorgesehenen Lösch-Einrichtungen sind völlig unzureichend; das Befüllen der Löschwasserleitungen dauert mindestens 45 Minuten und damit viel zu lange; die Löschwasser-Versorgung ist nicht gesichert. Dies hatte auch die Feuerwehr beanstandet.

Beim Erörterungsverfahren zum PFA 1.2 „Fildertunnel“ am 30. und 31.1. 2012 haben die Vertreter der Bahn eingeräumt, daß ein solches Ereignis nicht auszuschließen sei, daß aber weder die Räumung des Tunnels noch die Rauch-Ausbreitung untersucht worden seien. Sie beriefen sich darauf, daß das geltende Regelwerk (i.w. die „Tunnelrichtlinie“) sowie „internationale Standards“ eingehalten würden, und weigerten sich im übrigen, die Sicherheit überhaupt auch nur zu diskutieren unter Hinweis darauf, daß dies doch bereits alles planfestgestellt und somit rechtens sei!
Von den insgesamt 31 Beanstandungen, die die Stuttgarter Brandschutzbehörde zum vorbeugenden Brandschutz vorgebracht hat, will die Bahn gerade mal 15 umsetzen, die übrigen jedoch unberücksichtigt lassen – aus wirtschaftlichen Gründen!
Hier drängt sich der Vergleich mit dem Untergang der TITANIC vor hundert Jahren auf: von allen Fachleuten als unsinkbar angesehen, hatte diese gerade so viele Rettungsboote mitgeführt, wie es das internationale Seerecht damals vorschrieb – daß es viel zu wenige waren, wurde erst beim Untergang deutlich! Dürfen wir zulassen, daß „Stuttgart 21“ zu unserer Eisenbahn-„TITANIC“ wird?

5. Gefährdung des Grund- und Mineralwassers / neues Planfeststellungsverfahren erforderlich!
Die von der Bahn beantragte bauzeitliche Entnahme von 3,2 Mio. m³ zum Trockenhalten der Baugruben hat sich als unzureichend herausgestellt; das von den Fachleuten der Bahn zugrundegelegte Grundwassermodell ist fehlerhaft! Bereits im Sommer letzten Jahres wurde bekannt, daß die bauzeitliche Entnahmemenge auf 6,8 Mio. m³ erhöht, d.h. mehr als verdoppelt werden muß.
Diese Änderung ist so erheblich, daß jetzt ein neues Planfeststellungsverfahren unumgänglich ist. Der Tiefbahnhof S-21 darf so nicht gebaut werden; sämtliche Arbeiten sind bis dahin zu unterlassen, auch Abrißarbeiten und das Fällen von Bäumen! Zu diesem Ergebnis kam das dazu im Juni vergangenen Jahres im Auftrag des Umweltministeriums erstellte Rechtsgutachten der Kanzlei Glaser und Kollegen / Berlin.
Mit dem inzwischen vollzogenen Südflügel-Abriß und der Zerstörung des Mittleren Schloßgartens hat die Bahn einen klaren Rechtsbruch begangen, gedeckt von der Politik und der Justiz!
Diesen drohenden Rechtsbruch zu verhindern war mein Beweggrund für die mir hier zur Last gelegte Nichtbefolgung des Betretungsverbotes für den Park.

6. Mißachtung von Umweltschutz-Auflagen und Artenschutz
Die Planfeststellung und damit das Baurecht ist gem. PFB 1.1 an die Einhaltung der Umwelt-Auflagen sowie die Beachtung der Umweltschutzmaßnahmen erteilt worden; insbesondere genannt seien hier Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten sowie der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen.
Hiergegen hat die deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin am 15. -17. Februar 2012 bei der Zerstörung des Mittleren Schloßgartens mit seinem einzigartigen Bestand an z.T. über 200 Jahre alten gesunden und unter Denkmalschutz stehender Bäume auf einer Fläche von etwa 5 ha massiv verstoßen!
Nicht nur, daß der Mittlere Schloßgarten inmitten der Innenstadt bisher ein beliebtes und wichtiges innerstädtisches Naherholungsgebiet war, das in seiner biologischen Einzig-artigkeit jetzt unwiederbringlich zerstört worden ist; er war zugleich klimaregulierend für den Innenstadtbereich, milderte an heißen Sommertagen die Außenluft-Temperatur, er war außerdem Feinstaub-Filter und absorbierte jährlich rd. 950 t CO2.
Zugleich war er ein wichtiger Lebensraum einer vielfältigen Flora und Fauna für viele z.T. geschützte Tiere, die sich hier angesiedelt hatten. Hierzu gehören seltene Fledermaus-Arten sowie der vom Aussterben stark bedrohte und streng geschützte Juchtenkäfer Osmoderma eremita, der in diesen uralten Bäumen, die jetzt gefällt worden sind, eine seiner letzten Zufluchtsorte in Europa hatte. Die Deutsche Bahn hat am 15. – 17.2.12 auch mehrere Bäume mit von Larven dieser bedrohten Käferart besiedelten Bruthöhlen fällen lassen. Die hierzu von Umweltschützern gegebenen Hinweise sind nicht beachtet worden; das im Auftrage der Bahn dazu erstellte Gutachten von H. Wurst war fehlerhaft.
Durch das Fällten der Bäume fehlt jetzt die für das Überleben dieser Art wichtige Verbindungsbrücke zwischen den besiedelten Bereichen; dadurch sind jetzt auch die verbliebenen Restbestände dieser seltenen Käferart unmittelbar bedroht.
Die Bahn hat sich auch hier nicht an Vorschriften und Auflagen gehalten, sondern sich kurzerhand über geltendes Umweltrecht hinweggesetzt.

Zusammenfassung
Die Deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin begeht mit der bedingungslosen Durchsetzung des S-21-Vorhabens einen Rechtsbruch nach dem anderen – und alle bleiben folgenlos! Das betrifft die Täuschung der Öffentlichkeit über die Kosten des Vorhabens und die Verringerung der Leistungsfähigkeit sowie die abzupumpende Grundwassermenge, ebenso die illegale Baumfällung am 30.9.2010, die Duldung des Einsatzes von Baufahrzeugen ohne Umweltschutzplakette, die Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Arbeitserlaubnis, die Vernichtung von Brutbäumen des Juchtenkäfers am 15.-17.2.12, die durch den Abbruch des Südflügels am 19.3.12 herbeigeführte Einsturzgefährdung des Bahnhofdaches, zuletzt die schwere Verletzung einer Passantin durch Gesteinsbrocken am 14.4.12 und den Versuch des Bauleiters, das Beweisstück verschwinden zu lassen!
All dieses Unrecht wird von der Justiz nicht weiter verfolgt; doch ich werde mit einem Bußgeld belegt, weil ich in jener Nacht vom 14. auf den 15. Februar 2012 im Mittleren Schloßgarten mit dabei war, um ein Zeichen dagegen zu setzen.
Schlußwort
Herr Richter, war Mahatma Gandi in Ihren Augen auch ein Gesetzesbrecher, weil der sich doch immer wieder den menschenverachtenden Anordnungen der britischen Kolonial-Verwaltung widersetzt hatte und dafür viele Jahre im Gefängnis saß? Am Ende hatte er doch gesiegt – gewaltfrei und dennoch unnachgiebig; selbst die englische König mußte schließlich ihre Knie vor ihm beugen!
Nelson Mandela mußte gar 27 Jahre lang hinter Gittern verbringen wegen seines Kampfes gegen das von der südafrikanischen Regierung erlassene Apartheid-Gesetz. Am Ende war er Präsident des Landes.
Es gibt viele Beispiele vom Kampf gegen Willkürgesetze, gerade auch bei uns in Deutschland. Ich erinnere an Eduard Möricke [Anmerkung. Es war nicht Möricke, sondern Schubart, wie ich hinterher belehrt wurde], der 10 Jahre auf dem Hohenasberg bei Ludwigsburg in Festungshaft saß, weil er selbstverständliche Freiheitsrechte eingefordert hatte.
Oder die Geschwister Scholl, deren einziges Vergehen im Verfassen und Verbreiten eines Flugblattes bestand, das zum Widerstand gegen den Nazi-Terror aufrief – wofür sie mit dem Leben büßen mußten.
Wenn Sie mich jetzt dennoch zu einer Geldstrafe verurteilen, weil Sie meine Beweggründe nicht gelten lassen wollen, so erkläre ich, daß ich mich weigern werde diese zu begleichen – eher werde ich als unbescholtener Bürger dafür ins Gefängnis gehen, stolz und erhobenen Hauptes im Bewußtsein des hier den Bürgern angetanen Unrechts!
Stuttgart, den 18.07.2012
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