Mutloser VGH vertut die Chance auf Aufklärung

Pressemittelung von WikiReal.org

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (VGH) verhandelte gestern am 02.07.2014 über die Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof. Die Beweisanträge der Klägerseite zur Aufklärung des Leistungsrückbaus und der ausgeschlossenen Finanzierung wurden als „rechtlich unerheblich“ abgelehnt, es würden keine „neuen Tatsachen“ vorgetragen. Das Urteil soll heute ergehen. Während in der Verhandlung über die Verfassungskonformität der Mischfinanzierung keine Prognose gewagt wurde, hieß es zur Aufklärung des Leistungsrückbaus, zur Zeit des VGH-Urteils von 2006 bekannte Tatsachen würden jetzt eben lediglich anders bewertet. Dr. Christoph Engelhardt von WikiReal.org, Sachverständiger des Klägers für die Leistungsfrage: „Der VGH umgeht damit die Bewertung des Leistungsrückbaus und den Schaden für das Gemeinwohl.“

Der Kläger verlor vergangen Oktober seine Wohnung, als das Haus für den Bau eines Tunnelportals nach Eilverfahren und vorzeitiger Besitzeinweisung abgerissen wurde. Inzwischen ruhen die Bauarbeiten wieder seit vielen Wochen. Bereits 2012 hatte der Kläger erneut einen planerischen Missgriff vorgebracht, nachdem aufgedeckt worden war, dass der Bahnhof, der die Kapazität verdoppeln soll, auf eine maximale Leistungsfähigkeit weit unter dem aktuellen Bedarf ausgelegt worden war. Dieser Rückbau der Leistungsfähigkeit war im Eilverfahren trotz „neuer Beweise“ nicht als „geänderte Sachlage“ gewertet worden, die die Rechtskraft des Beschlusses von 2006 durchbrechen könnte. Es hieß, die Einwände hätten schon vor Jahren erhoben werden sollen, als die neuen Beweise gleichwohl noch nicht bekannt waren. Selbst die erst 2012 bekannt gewordene „Dimensionierung“ der Fußgängeranlagen auf die Reisenden aus lediglich 32 Zügen, die am Anfang der Aufklärung des Leistungsrückbaus stand, gelte nicht als „neue Tatsache“. Wie auch die Zweifel an der Finanzierung, die auf dem Finanzierungsvertrag von 2009 gründen, der eine verfassungswidrige Mischfinanzierung vorsieht und keine zwingende Vereinbarung enthält für die Übernahme der inzwischen milliardenschweren Kostensteigerungen. An diesen will sich derzeit keiner der externen Projektpartner beteiligen und die Deutsche Bahn AG darf sie wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht alleine tragen.

Eine „einzelne Stimme über dem Acker“ oder der „größte technisch-wissenschaftliche Betrugsfall“?

Dr. Christoph Engelhardt: „Es war uns wichtig, mit den Beweisanträgen klar zu machen, dass der neue Tiefbahnhof, der nach dem Finanzierungsvertrag eigentlich ein Verkehrswachstum von 50 % ermöglichen soll, die Leistungsfähigkeit des bestehenden Hauptbahnhofs dramatisch reduziert.“ Es wird dadurch ein Engpass auf einer europäischen Magistrale geschaffen. Die Bahn ließ vor Gericht mit Blick auf Engelhardt argumentieren: „Es kann doch nicht sein, dass eine einzelne Stimme über den Acker daherkommt und alles in Frage stellt, dabei hat es doch Professoren und Fachexperten gegeben.“ Dagegen wird der Nachweis des Leistungsrückbaus ausschließlich mit den Stimmen der Bahn geführt, d.h. mit den Dokumenten und Aussagen der Planfeststellungsgutachter, die die wahre Kapazität des Bahnhofs jahrelang verschleiert hatten. Engelhardt: „Mit der Ablehnung der entsprechenden Beweisanträge verlässt den VGH leider der Mut, den größten technisch-wissenschaftlichen Betrugsfall Deutschlands aufzuklären.“

PM mit Kommentar von Dr. Christoph Engelhardt (PDF)

( Alexander Schäfer auf schaeferweltweit.de )