„Ich will das wissen …“

Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 5

Flaschen_kleinAm 15.7. beginnt also tatsächlich die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen gegen die Planänderungen zur Grundwassermanipulation. Es wurden weit über 10.000 Einwendungen gegen dieses Vorhaben eingelegt. Ohne die Planänderung können die Baugruben für den Sargbahnhof nicht ausgehoben werden. Derzeit haben wir also faktisch einen Baustopp der zentralen Planabschnitte im Talkessel der Stadt. Weil dieser Erörterungstermin so überaus wichtig ist, werden wir in dieser Rubrik nun täglich kurze Informationen verschiedener Autoren zu der Erörterung anbieten. MOBILISIERT EUCH!

Die Bahn wird mit geballtem Sachverstand aus Planern, Gutachtern und Juristen vertreten sein, und ihre Antworten und Lösungen zu den Einwänden präsentieren. Das wird immer entlang der Tagesordnung passieren. Selbstverständlich ist jeder aufgefordert, Probleme der beantragten Planung zu benennen. Die Last der Entkräftung von Argumenten liegt bei der Bahn.

Vorbereiten

Zunächst sollte man sich seinen Einspruch zur Hand nehmen, und die eigenen Kernpunkte entsprechend der Tagesordnung umsortieren bzw. zuordnen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass man die Möglichkeit zum Einhaken verpasst. Man wird kaum eine Chance haben, nach Abschluss eines Tagesordnungspunktes noch mal auf das eigene Thema zurückzukommen. Wann genau ein Thema aufgerufen wird, ist nicht vorsehbar. Es kann zu zeitlichen Verzögerungen kommen, oder wichtige Gutachter müssen umgeladen werden, etc.

Selber reden?

Dem Verhandlungsleiter sind die Einwendungen thematisch alle bekannt. Er wird also die Bahn auffordern, etwas darzulegen oder er ruft ein Thema auf und bittet um Wortmeldungen dazu. Jeder, der reden möchte, muss seinen Namen nennen und ob er ggf. für eine Organisation oder als Bevollmächtigter auftritt. Die Einzelpunkte werden solange verhandelt, bis keine Einwände dazu mehr vorgetragen werden. Aber aufpassen: es kann manchmal unklar sein, ob das eigene Argument nun gerade aktuell ist, oder von der Verhandlungsleitung einem anderen Thema zugeordnet wurde. Lieber einmal mehr eingehakt, als endgültig ausgebremst.

Im Prinzip haben Anhörungs- und Genehmigungsbehörde ein Interesse daran, aufgeworfene Fragen zu erkennen und zu lösen, damit sie einer möglichen Genehmigung nicht im Weg stehen. Es wird natürlich darauf geachtet, Wiederholungen zu vermeiden. Man sollte sich aber weder von der Bahn, noch von „eigenen“ Experten beeindrucken und das Wort nehmen lassen.

Wer nichts sagt, dem wird gesagt!

Jeder hat seine berechtigten Anliegen schriftlich vorgebracht. Man kann passiv bleiben und gelegentlich mit Zwischenrufen glänzen oder die eigenen Mitstreiter durch Applaus unterstützen. Aktiv sein, ist besser. Selbst wenn ein Thema ausgiebig vorgetragen wurde, kann man immer noch einsteigen und die Vertreter der Bahn bei der Diskussion löchern.

Nutzt diese Chancen, die individuellen Belange persönlich zu vertreten. Dies ist die einzige Gelegenheit im Verfahren, mit den Gutachtern und der Bahn selbst zu diskutieren. Gebt Euch nicht mit unbefriedigenden Antworten ab. Fragt nach, bis Euch der Sachverhalt klar ist.

Sollten Euch die Antworten nicht nachvollziehbar oder Eure Einwendung damit nicht erledigt sein, haltet ausdrücklich an Euren Argumenten fest und lasst das ins Protokoll aufnehmen.

Auf berechtigte Einwendungen muss die Anhörungsbehörde in ihrem Bericht an die Planfeststellungsbehörde eingehen. Offene Punkte und Widersprüche müssen im Planfeststellungsbeschluss festgehalten werden. Man wird dann im Beschluss entweder Festsetzungen verfügen, oder begründete Abwägungen schreiben müssen, warum trotzdem eine Genehmigung erfolgt – meist werden daraus die Ankerpunkte von Klagen.

Und fürs Wochenende – ein Beispiel

In diesem Protokoll einer Erörterung, fast ein Jahr her, mit „nur“ 114 Seiten von einem Tag kann man einen guten Eindruck kriegen, wie so etwas ablaufen kann. Es geht, ganz sachfremd für uns, um eine Anlage zur Behandlung von Sondermüll. Der Antragsteller betreibt nebenan eine Skandaldeponie, auf der die „Produkte“ der neuen Anlage gelagert werden sollen. Allerdings gilt die Deponie bereits als überfüllt.

Gemeindevertreter, Bürgerinitiativen, der BUND und Privateinwender treten, auch mit Rechtsanwälten, gegen die Antragsteller und die Genehmigungsbehörde an. Bis heute liegt keine Genehmigung vor.

Man kann viel überfliegen, aber die ersten 20-40 Seiten sind schon recht wichtig, um den Ablauf und die eigenen Möglichkeiten zu erkennen. Rederecht, Antragstellung, Befangenheit – es ist richtig viel Beteiligung von Profis und Laien drin.

In eigener Sache:

Wir freuen uns über angeregte Diskussionen und Kommentare, hier und im Parkschützer-Forum. Wir bemühen uns, alles zu lesen, und offene Fragen in dieser Artikel-Serie zu behandeln. Wir freuen uns auch, wenn sich weitere Autoren mit eigenen Beiträgen beteiligen möchten oder Hinweistexte für die weitere redaktionelle Bearbeitung geben.

Hintergrundinformationen zum Grundwassermanagement und zur Planänderung finden sich u.a. in diesen Artikeln und Seiten:

Artikel sww, Ausgetrocknet vor dem ersten Pumpversuch
Artikel sww, Bewohner des Kernerviertels fordern umfassende Risikenaufklärung
Artikel sww, Grundwasserthema bleibt ein großes Problem
Artikel geologie21, Stellungnahme des Landesamtes für Geologie
Internetauftritt, Klage von Rechtsanwalt Arne Maier gegen das Planänderungsverfahren

Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie

Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?
Teil 3 – Wasser geht uns alle an!
Teil 4 – Ordnung für 3 Tage – die Tagesordnung

25 Gedanken zu „„Ich will das wissen …““

  1. Hier folgen nun zehn Auszüge aus der oben empfohlenen Erörterung. Es ist übrigens keine Pflicht der Anhörungsbehörde, ein Wortprotokoll durch Stenografen anfertigen zu lassen. Das Gesetz schreibt nur Ergebnisprotokolle vor. Anträge, mit dem Ziel, Äußerungen, Feststellungen oder Anträge ins Protokoll aufzunehmen, sind besonders wichtig, wenn nicht stenografiert wird!

    1. 1.) Auf Seite 4 möchte der Verhandlungsleiter, nach der Begrüßung, direkt an die Vorhabensträger weitergeben. Sofort steigt der Bürgermeister ein, und stellt einen Antrag auf Aussetzung des Termins.
      „Das Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Betroffenen wird im Erörterungstermin auch dann verletzt, wenn der Erörterungstermin in einer Art und Weise gestaltet wird, die die Anhörung und Mitwirkung unzumutbar erschwert.“
      […]
      „Der Stadt Kamp-Lintfort ist sehr wohl bewusst, dass solche Verfahrensmängel nur dann eine Rolle spielen, wenn sie auf die materielle und inhaltliche Entscheidung Einfluss haben. Wir sind aber sehr wohl der Meinung, dass das hier der Fall ist.“
      Auf Seite 7 dann wird der Termin unterbrochen und über den Antrag beraten. Er wird zwar zurückgewiesen, aber auch das könnte Bedeutung erlangen.

    2. 2.) Auf Seite 8, nach Begründung der Ablehnung, erfolgt der nächste Antrag des Bürgermeisters, diesmal auf Befangenheit.
      „Herr Vorsitzender! Ich bitte um Verständnis dafür – das hatte ich vorhin angekündigt –, dass die Stadt Kamp-Lintfort die Verhandlungsführung dann wegen Befangenheit ablehnt. Wir haben hinreichend begründet, dass dieser Erörterungsort für eine angemessene Erörterung nicht geeignet ist. Ich bitte, auch über diesen Antrag zu entscheiden. Ich wiederhole es noch einmal: Da ich der Auffassung bin, dass die Regierungspräsidentin ihre Auffassung bereits dargelegt hat, müsste es die nächst höhere Behörde tun. – Vielen Dank.“
      Nächste Unterbrechung, diesmal 30 Minuten. Auch der Antrag wird, diesmal von der vorgesetzten Dienststelle, abgelehnt.
      Darauf der Sachbeistand des BUND:
      „Ich möchte zu Protokoll geben, dass die Ablehnung des Befangenheitsantrags durch die vorgesetzte Dienststelle, vertreten durch Herrn Olbrich, schematisch-formelhaft ist. Eine solche Ablehnung wird den Anforderungen an eine unvoreingenommene Amtsausübung nicht gerecht. In diesem Sinne behalte ich mir vor, zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Tatsachen einen Befangenheitsantrag gegen die vorgesetzte Dienststelle zu stellen.“

    3. 3.) Im Anschluss entzündet sich eine heftige Auseinandersetzung um die Ausgrenzung von Einwendungen, weil sie vermeintlich einen falschen Sachbezug hätten – gut 10 Seiten.

    4. 4.) Auf Seite 30 kommt der Rechtsanwalt der Stadt, bei der Erörterung verfahrensrechtlicher Fragen, auf die vorherige Diskussion zurück:
      „Das Sachbescheidungsinteresse, das wir jetzt hinlänglich erörtert haben, ist nach meiner bescheidenen juristischen Einschätzung eine Frage des Verfahrens. Insofern will ich einfach einmal zu Protokoll geben, dass das Sachbescheidungsinteresse eine Verfahrensfrage ist. Die Stadt Kamp-Lintfort vertritt die Auffassung, dass es aufgrund der Verfüllung der Deponie kein Sachbescheidungsinteresse für den Antrag auf Genehmigung der CPB-Anlage gibt, sodass diese Veranstaltung hier mit einem Gruß von Ihnen zu beenden wäre. – Danke schön.“

      Auf weiteren sieben Seiten entzündet sich ein interessanter Disput über zurückgehaltene Daten in den Antragsunterlagen. Er endet mit der Aufnahme von Zusicherungen ins Protokoll, die ebenso in möglichen Genehmigungsunterlagen stehen sollen.

    5. 5.) Auf Seite 42 kommt es dann zur Mittagspause. Davor stellt der Verhandlungsleiter zu einem fehlenden Sicherheitsbericht fest:
      „Das ist Ihre Auffassung. Wir sind mit der Auffassung in das Verfahren gegangen: Die Antragsunterlagen sind vollständig für eine Offenlage. Das ist unsere Rechtsauffassung. Inwiefern wir jetzt aufgrund Ihrer Ausführungen unsere Meinung vielleicht revidieren müssen,
      wenn wir mit dem Erörterungstermin fertig sind, das werden wir zu prüfen haben.“
      Der Sachbeistand des BUND lässt dazu festhalten:
      Okay. Dann bitte ich Sie, zu Protokoll zu nehmen, dass die Unterlagen aufgrund meiner Auffassung bzw. der Auffassung der von mir vertretenen Personen im Sinne des § 4b Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV unvollständig sind und daher keine Auslegung hätte erfolgen dürfen bzw. eine Nachauslegung und Nacherörterung erforderlich ist.“

    6. 6.) Mit dem Ansetzen der Mittagspause auf Seite 42 begeht der Verhandlungsleiter ein verdecktes Foul.
      „Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Tatsache, dass es jetzt 12:40 Uhr ist, würde ich gerne eine Mittagspause von einer Stunde machen. Wir treffen uns spätestens um 13:40 Uhr wieder hier. Dann machen wir mit Tagesordnungspunkt 5.2 weiter.“
      Damit sind jedoch die verfahrensrechtlichen Fragen abgeschlossen, wie man später auf Seite 61/62 etwas erstaunt feststellen musste:
      „Ja, aber ich hatte Ihnen bereits vor der Mittagspause mitgeteilt, dass dieser Punkt beendet ist, und ich sehe keine Veranlassung, dass wir jetzt erneut in dieses Thema einsteigen. Wir werden es behandeln – das hatte ich Ihnen gesagt – und nach Abschluss dieses Erörterungstermins eine Entscheidung treffen. Ich hatte Punkt 5.1 abgeschlossen, und wir sind auf Bitten des Kreises Wesel in den Punkt 5.4 eingestiegen. Dazu sehe ich keine weiteren Wortmeldungen, und deswegen erlaube ich mir, den nächsten Punkt aufzurufen.“

    7. 7.) Auf Seite 46 folgte der nächste Antrag auf Befangenheit, weil die Genehmigungsbehörde Daten der BI nicht zur Kenntnis genommen hätte. Darüber wird noch weitere 2 Seiten diskutiert … und dann eine Stunde zur Beratung unterbrochen, um den Antrag abzulehnen.

    8. 8.) Auf Seite 59, nach einer Diskussion mit reichlicher Beteiligung, stellt der Sachbeistand des BUND zwei Anträge für die Aufnahme in einen möglichen Genehmigungsbeschluss. Der Antrag wird auf Seite 60 noch erweitert. Und dazu festgestellt:
      „Da ich davon ausgehe, dass der eine oder andere Antrag noch gestellt wird, möchte ich beantragen, diese Anträge separat zu bescheiden und den Antragstellern mit Begründung zuzustellen.“

    9. 9.) Auf Seite 90 wird ein Antrag auf die Erstellung einer Immissonsprognose und dazu auf einen weiteren Erörterungstermin gestellt.

    10. 10.) Ab Seite 97 entwickelt sich ein Streit, inwieweit der Sachbeistand des BUND Fragen stellen darf, oder als Einwendung zu formulieren hat. Der Verhandlungsleiter würde den Tagesordnungspunkt aber gerne schließen. Doch es kommt noch mal zu einem unfangreichen Antrag.

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