Grube auf Phönix – Transkription

In unglaublich schneller Zusammenarbeit wurde nun das Interview mit Bahnschef Rüdiger Grube in Phönix am 13.01.13 in Schriftform gebracht. Der Dank geht an bckaemper, simonefoo, zuputu, provopoli, Backnang, Carridwen + 2 Anonyme Helfer (Twitter Namen). Hier nun das komplette Interview in Textform – zur Weiterverbreitung und Nutzung. Ich plane selbst Auszüge daraus später ausführlich zu kommentieren aber um diese Möglichkeit auch vielen anderen zu bieten nun erst einmal in kompletter Form. Quelle

 Zu Stuttgart 21: Min 24:24 – 39:00; inzwischen wurde das Gespräch vollständig transkribiert. Sicherung nach dem 1. Korrekturlauf (bck).PHOENIX Forum Manager – zu Gast: Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn AG
Moderatoren: Marc Beise, Süddeutsche Zeitung, Nina Ruge, Phoenix
Erstausstrahlung: So, 13.01.2013, 13-14 Uhr
http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/diskussionen/forum_manager_zu_gast:_ruediger_grube/553596?datum=2013-01-13

1. Einleitung, Vorstellung der Gesprächspartner (- Min 1:32)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o

(APPLAUS)
Beise: Ich begrüße Sie zum ersten „Forum Manager“ des Jahres 2013. Und wir haben ihnen einen Manager zum Anfassen mitgebracht, Sie werden’s gleich sehen, aber vorher möchte ich Ihnen sagen, wo wir heute hier sind: Wir sind vor Studenten in Berlin, der ESCP Europe – das ist eine kleine, aber feine Business Universität in Berlin, und ich sag das deswegen so ausführlich, weil es zwei Besonderheiten zu berichten gibt: 1. ist das die Tochter der ältesten Handelsschule der Welt, die vor 200 Jahren in Paros gegründet worden ist, und auch der deutsche Campus feiert jetzt schon 40 Jahre Bestehen, also an die Studenten herzlichen Glückwünsch sozusagen für ihre Institution. Nina Ruge von Phoenix, die das mit mir zusammen hier heute bestreitet: Berlin ist ja sowieso eine Stadt mit vielen guten Universitäten, also: Universitäten können die Berliner. Flughäfen weniger, Bahnhöfe klär’n wir jetzt.

Ruge: Das saß. Und das ist übrigens Marc Beise von der Süddeutschen Zeitung, der immer dabei ist, und das ist unser Gast: der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Staatskonzerns, Deutsche Bahn AG, seit Mai 2009, Dr. Rüdiger Grube. Herzlich wilkommen!

Grube: Vielen Dank! (APPLAUS)

2. Vorstellung seines Unternehmens in 30 s (Min 1:33 – 2:18)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=1m33s

Ruge: Und jetzt haben Sie wie alle unsere Gäste die wunderbare Aufgabe, ihr Unternehmen in 30 s vorzustellen.

Grube: Das mach ich sehr gern. Wir sind 300.000 Mitarbeiter, bei uns sind die Mitarbeiter das A und O, wir arbeiten in 130 Ländern, davon 195.000 in Deutschland. Wir haben eine hervorragende Marktposition, wir sind die Nr. 1 im Personenverkehr in Europa, wir sind die Nr. 1 im Schienengüterverkehr, wir haben ein europäisches Netz aufgebaut, wir sind Nr. 2 das weltweit erfolgreichste Luftfrachtunternehmen, wir sind weltweit die Nr. 3 in der Seefracht und weltweit Nr. 5 in der Kontaktlogistik. Insgesamt auf der Basis von 2011 haben wir 38,6 Mrd. Euro gemacht und einen Gewinn von 2,3 Mrd., den wir natürlich in 2012 nochmal toppen werden.

3. Der zweitverrückteste Job nach Kanzler (Min 2:19 – 4:49)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=2m19s

Ruge: Zahlen über Zahlen. Passt natürlich zu dem, was Gerhard Schröder über ihren Job gesagt hat: Er hat nämlich gesagt, das ist der zweitverrückteste Job nach ‚Kanzler‘. Würden Sie dem zustimmen?

Grube: Ja, das ist schwer zu beurteilen, weil ich den ersten von ihm nie gemacht hab, deshalb ist das sicherlich schwierig; außer neige ich nicht dazu, über meine eigene Person zu reden. Ich kann nur eins sagen: der Job macht mir viel Spaß, viel mehr, als ich am Anfang gedacht hab, aber ich muß auch sagen, ich bin außerordentlich naiv in diese Aufgabe gekommen, ich hab tolle Autos bauen dürfen in meinem Leben, ich hab dafür gesorgt, dass Flugzeuge fliegen, ich hab Raketen und Satelliten in den Himmel geschickt, alles hat funktioniert, aber ich muss sagen, ich hab mich total wiedergefunden in einer Situation, dass ich das Geschäft der Eisenbahnen völlig unterschätzt hab. Ich hab gedacht, das macht man ganz schnell, ganz einfach, und ich muß sagen, ich hab die Komplexität des Zusammenwirkens von Rad und Schiene und der gesamten Systeme in Deutschland: ein 34000 km Mischsystem, wo ein schneller ICE, ein langsamer Regionalexpress, eine S-Bahn, Schienengüterverkehr, 370 Wettbewerber – das alles zu managen, neben den anderen Aufgaben, die ich ihnen eben erläutert hab, das, muss ich ganz offen sagen, hab ich unterschätzt. Vielleicht auch ganz gut, sonst wär ich vielleicht nicht gekommen.

Beise: Wissen Sie, warum ich glaube, dass es wirklich ein verrückter Job ist? Weil er erstens so kompliziert ist, wie sie ihn gerade beschrieben haben, weil Sie zweitens 80 Mio Deutsche haben – das ist so ähnlich wie beim Fußball -, die alle besser wissen, wie das mit der Bahn funktioniert als Sie das wissen können, und dann haben Sie noch lauter Politiker, die bei ihnen in den Gremien sitzen, weil sie ja ein Staatsunternehmen sind, und die ihnen auch noch sagen, was sie zu machen haben, das ist eigentlich gar nicht zu managen.

Grube: Herr Beise, das seh ich etwas anders: Man kann sich natürlich hinstellen und sich selbst darüber ärgern, dass wir annähernd 80 Mio. Menschen in Deutschland haben, die meinen, mir jeden Tag sagen zu müssen, wie man den Job macht. Ich hab nach 3 Tagen, nachdem ich 3 Tage Erfahrung gesammelt hab, hab gesagt: Du kannst dich jetzt die nächsten Jahre nur ärgern, oder du siehst das positiv, dass die Menschen dir Briefe schreiben, die Menschen dich anrufen, die Menschen mit Dir reden wollen, die Menschen mir Ratschläge geben wollen, und ich muß sagen, ich seh das heute mit einer ganz anderen Einstellung: Ich freue mich, dass wir offensichtlich ein so großes Interesse haben,  dass sich soviele Menschen bei uns melden und sagen, was man alles besser machen kann. Und ich mach auch keinen Hehl dadraus: wir sind ein großes Unternehmen, wir haben noch viele Hausaufgaben zu machen, ich bin sehr froh, dass die Führungskräfte und unsere Mitarbeiter den neuen Weg aktiv mitgehen, dass wir gemeinsam eine neue Strategie erarbeitet haben, und wir wissen heute, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, aber wir sind noch lange nicht am Ziel: wir haben noch einige an Hausaufgaben vor uns.

4. Der Einfluss der Politik (Min 4:50 – 10:07)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=4m50s

Ruge (zu Beise): Ja, die eine Hälfte deiner Frage hat er nicht beantwortet, nämlich die nach dem Einfluss der Politik. Im Grundgesetz steht Art. 87: „Eisenbahnnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen geführt.“ – das wollen Sie ja auch erklärtermaßen, und die Politik ist nicht unbedingt immer in erster Linie daran ausgerichtet, Sie müssen sich von denen natürlich die Unternehmensleitlinien über den Aufsichtsrat auch ein bisschen vorgeben lassen.

Grube: Nein, Frau Ruge, dass man einen Aufsichtsrat hat, ist ja ein ganz normales Governance-Verhalten, da hab ich auch meine Erfahrungen: ich war ja lange Chairman der  Europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen EADS, und von daher bin ich nicht ganz ungeübt damit, wie man mit unterschiedlichen Interessen auch in unterschiedlichen Nationen umgeht, und als ich Vorstand bei Daimler war, muss ich auch sagen, da sitzen ja auch unterschiedliche Interessen am Tisch. Ich glaube, da macht man sich in der Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild. Ich muss sage, ich hab noch nicht bisher erlebt, dass ein Minister oder eine Bundeskanzlerin versucht, in unser Tagesgeschäft hineinzuregieren. Ich führe heute mit meinen Kollegen und den Führungskräften das Unternehmen, wie ich als Mitglied von Daimler das Unternehmen mitgeführt hab oder bei EADS, da ist kein Unterschied. Der einzige Unterschied ist, dass wir in unseren Aufsichtsgremien, im Aufsichtsrat  z.B. drei Staatssekretäre sitzen haben, und einen Vertreter des Verkehrsausschusses, aber ich muss sagen, die verhalten sich genau so wie jedes ganz normale Aufsichtsratsmitglied.

Ich darf vielleicht gleich mal eine kleine nette Geschichte erzählen. Als ich zur Bahn kam, das war am 1. Mai, Sie haben’s vorher erwähnt, und ich dann im September mit der Frage konfrontiert wurde, sollen die Preise erhöht werden – und das fiel genau an ein Wochenende, als die Bundestagswahl war – und dann hat man mir erzählt, sei vorsichtig, das ist ein Wochenende, das ist ganz gefährlich, man kann mit so einer Preiserhöhung auch durchaus Meinungen beeinflussen in Deutschland. Und dann hab ich im Bundeskanzleramt angerufen, hab auch mit Frau Merkel gesprochen und hab gesagt: „Also, ich möchte auf keinen Fall für irgendein Ergebnis, wie immer es auch ausfällt, verantwortlich gemacht werden“, und das fand ich ganz klasse, wie sie reagierte: Sie hat zu mir gesagt, „Herr Grube, kommen Sie nie wieder zu mir, Sie sind mit ihrem Team eingesetzt als Vorstand, Sie sind verantwortlich für das Unternehmen, für die Entscheidung, und Sie machen bitte Ihre Entscheidung unabhängig von politischen Ereignissen.“ Und wenn heute jemand zu mir kommt und will mir irgendetwas, das ich vielleicht anders entscheiden soll, dann sag ich: „Können Sie mal 2 Minuten zuhören: ich erzähl Ihnen mal eine kleine Geschichte.“ Die Geschichte muss ich nicht zuende erzählen, jeder begreift sofort, was ich will. Und Sie haben eben den Artikel 87e zitiert, wo ja drinsteht, die Bahn ist (seit der Bahnreform 1994)  [als] ein Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form zu führen. Damit wird alles gesagt. Ich darf es als Vorstandsvorsitzender gar nicht zulassen, ich bin dem Aktiengesetz ausgesetzt und hab das Unternehmen genauso zu führen wie jedes andere Unternehmen.  Und das mach ich auch, und sehr konsequent, mit meinen Kollegen.

http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=7m41s
Beise: Naja, es ist natürlich schon ein besonderes Unternehmen: es ist nicht nur so, dass Sie zufällig auch den Staat als Aktionär haben und der guckt halt ein bisschen drauf, ob da ordentlich Gewinn am Ende rauskommt, Sie haben vorhin gesagt, nen bisschen was ist da schon, sondern es geht natürlich auch darum, der Staat will ja diese, sozusagen diese Hauptverkehrsmöglichkeit in Deutschland schon auch in seinem Sinne steuern. Sie können die Preise nicht einfach so erhöhen, wie Sie wollen, und Sie können auch viele andere Dinge nicht einfach so machen. Sie sind schon stärker als ihre früheren Unternehmen, bei denen Sie waren, von der Politik abhängig.

Grube: Das ist sicherlich richtig, insbesondere wenn man den Infrastrukturteil mit  dazu rechnet, aber ich glaube, heut kann sich das kein Unternehmer mehr leisten, einfach völlig lösgelöst vom Markt und von Produktgruppen und von Wettbewerbern Preise zu erhöhen. Auf der anderen Seite ist es aber so, wenn wir Preiserhöhungen diskutieren, dann redet bei uns die Politik überhaupt nicht mit, überhaupt nicht. Und ich muss sagen, großes Vorbild, großes Kompliment an die deutsche Politik, da lässt man uns wirklich allein.  Vielleicht liegt das aber auch darin, da möcht ich mich auch mal bedanken bei allen Mitarbeitern und Führungskräften, dass wir kontinuierlich besser geworden sind. Wir haben jedes Jahr das erreicht, was wir angekündigt haben. Und wenn man mal bedenkt, 1994 hat die deutsche Bahnreform stattgefunden – Ich bin ein bisschen befreundet mit Helmut Schmidt, und Helmut Schmidt hat mal zu mir gesagt, „Herr Grube,“ – Erinnern Sie sich immer dran, als er Bundeskanzler war, hat er 1981 gesagt, Deutschland kann sich nicht zwei Pleitegeier leisten, nämlich die Deutsche Bundeswehr und die Deutsche Bundesbahn.  Dann hat das nochmal n paar Jahre gedauert, bis  1994, dass Helmut Kohl die Bahnreform durchgeführt hat, und hat das Grundgesetz geändert. Das muss man wissen: 1994 hat die Deutsche Bundesbahn – hieß sie damals noch – 26,8 Mrd. Personalkosten gehabt, aber nur 16 Mrd. Euro (ich hab’s mal in Euro ausgedrückt jetzt) 16 Mrd. Euro Umsatz. Sie wissen, dieses Unternehmen ist illiquide gewesen. Wir haben gleichzeitig 60 Mrd. DM (oder 30 Mrd. Euro) Schulden gehabt. Wir waren Monopolist, wir hatten in Deutschland keine Wettbewerber, wir haben jedes Jahr wirklich rote, tief, tiefrote Zahlen geschrieben. 18 Jahre später sind wir das erfolgreichste Unternehmen in Europa. Kein Unternehmen mit Eisenbahnaktivitäten steht so positiv da wie die Deutsche Bahn. Wir werden in diesem Jahr knappe 40 Mrd. Umsatz machen (also in 2012); über das Ergebnis möcht ich noch nicht reden, dafür
sind Bilanzpressekonferenzen da, die übrigens am 20. März stattfindet. (BEIFALL)

5. Erhält die Bahn Subventionen? (Min 10:08 – 14:30)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=10m08s

Ruge: Aber wenn Sie schon über Gewinn sprechen… ich frag mich, wie Sie überhaupt Gewinne ausweisen können, vielleicht ist das auch eine nicht richtig durchdachte Frage, das muss ich selbstkritisch sagen. Sie bekommen ja Abermilliarden vom Staat an Subventionen, Sie bekommen 7 Milliarden …

Grube: oh, das ist … Entschuldigen Sie, Frau Ruge, — Ruge: Doch! — das ist ein Zeichen dafür, dass Sie sich auch mit unserem Geschäft bisher nicht richtig beschäftigt haben…

Ruge: oh, ich hab mich sehr intensiv beschäftigt

Grube: Wir werden für das bezahlt, wofür wir leisten, ansonsten: Subvention findet überhaupt nicht statt. Der Fernverkehr …

Ruge: Also, was sind die 7 Mrd. für den Regionalverkehr, was sind die 4,6 Mrd. für die Schiene?

Grube: Nein … Entschuldigen Sie, Entschuldigung, Entschuldigung, also: erstmal muss man zwei Geschäftssysteme unterscheiden: einmal haben wir den deutschen Fernverkehr, den machen wir völlig eigenwirtschaftlich. Der Regionalverkehr, also alles, was rot ist, wird im Wettbewerb ausgeschrieben, da kann sich jeder international – was ja auch ist: wir haben 370 Wettbewerber in Deutschland –  kann sich dort bewerben. Dort bewerben wir uns, und wenn wir einen Verkehrsvertrag gewinnen, dann bekommen wir da, was völlig normal ist, Geld, wir müssen nur neue Züge kaufen, wir müssen Mitarbeiter… Ruge: vom Land jeweils? Grube: nein, von dem Verkehrsverbund. Die Kommunen haben Verkehrsverbünde, davon gibt es in Deutschland 36, die beauftragen dann den, der den gewonnen hat, den Vertrag, und dann werden wir für unsere Leistung bezahlt. Die Kommunen bekommen teilweise Geld über Regionalisierungsmittel etc., und finanzieren damit den beauftragten Verkehr. Das hat mit Subventionen überhaupt nichts zu tun. Und wenn Sie die Infrastruktur anschauen, für die Infrastruktur werden wir wie ein Bauunternehmer oder ein Planungsbüro beauftragt für die Bundesregierung, die nach dem Grundgesetz für die Infrastruktur in Deutschland zuständig ist, werden wir beauftragt mit der Planung und mit der Bauleitung. Und das wir das nicht zum Nulltarif machen können, ist doch ein völlig normales Verständnis. Kein Bauunternehmer oder Planer  würde heute kostenlos arbeiten.

(Ruge, zu Beise: Können wir da kurz bleiben? – Beise: Ja, is ok)

http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=11m51s
Ruge: Also Sie bekommen wieviel jetzt im letzten Jahr – 2012 – vom Bund für die Schiene?

Grube: Und zwar, wir bekommen für Ersatzinvestitionen 2,5 Mrd. und wir geben 500 Mio. zusätzlich aus unsern Eigenmitteln, das sind 3 Mrd. ; zusätzlich für die Instandhaltung müssen wir per Gesetz 1 Mrd. selbst finanzieren, wir finanzieren aber 1,4 Mrd., wir investieren mehr als wir eigentlich müssen. Das ist für das Bestandsnetz, für die 34.000 km bestehendes Netz. Dann, darüber hinaus gibt es Neu- und Ausbauten, das sind sogenannte Bedarfsplan-Projekte, dort gibt der Bund im Jahr 1,2 Mrd., und wir zahlen nochmal 200 – 400 Mio. jedes Jahr dazu, d.h. wir investieren heute jedes Jahr über eine Mrd. an Eigenmitteln bereits in die Infrastruktur in Deutschland. Auch das ist etwas ganz besonderes.

http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=12m42s
Ruge: Um das zu verstehen – das ist auch etwas, worüber wir uns auch vorher unterhalten habe -, der Bund gibt dann so um die 4 Mrd. dazu, aber die Gewinne aus dem Schienennetz, die gehen nur an Ihre Holding.

Grube: Nein, die gehen nicht an die Holding, die gehen zunächst an die DB-Netz AG, das sind sozusagen Entgelte, die wir entgegennehmen, wo wir unsere Mitarbeiter, z.B. das Netz muss ja betrieben werden, es muss instand gehalten werden, und das finanzieren wir mit den Trassenentgelten. Denn wenn Sie heute einen km mit einem Zug auf der Schiene zahlen, das ist wie ein Lastwagen auf der Autobahn, der eine Mautgebühr bezahlen muss; so muss auch ein Zug, wenn er die deutsche Schiene benutzt, muss er eine Trassengebühr, ein Entgelt bezahlen, und dieses Entgelt bekommt die DBNetz AG, das ist eine Tochter von uns, und daraus machen wir z.B. – in der Netz-AG sind 42.000 Mitarbeiter, die müssen ihre Löhne bekommen, wiüssen bestimmte Instandhaltungen selbst finanzieren, das wird davon finanziert, hat mit Subventionen überhaupt nichts zu tun.

Beise, Ruge anschauend: ha hm… lassen wir’s dabei bewenden, an dem Punkt, glaub ich… Ruge: gut, ja… Beise: oder willste nochmal nachfragen? – Ruge: Nein! – Beise: Nein?

Grube: Ich hab den Eindruck, ich hab Frau Ruge zumindest überzeugt… [breites Honigpferd-Grinsen]

Ruge: hm (lacht), naja, also gut, Sie haben die Gleichung noch nicht ganz mir erklären können, 4 Mrd. kommen vom Bund, und die ganzen Gewinne gehen an DB-Netz, aber so isses nun mal.

Grube: Aber Frau Ruge – (Ruge: hm?) -, Sie können ja nicht nur die Gewinne, Sie müssen ja auch die Ausgaben sehen – (Ruge: jaja, Sie tun 1 Mrd. …) – Grube: Wir investieren jedes Jahr – im Konzern kaufen wir ein allein für 23 Mrd.  Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wir haben z.Zt. … – Ruge: Aber kein anderes Unternehmen bekommt 4 Mrd. vom Bund, das war eigentlich nur … – Grube: Aber jedes Unternehmen bekommt das Geld vom Kunden, und unser Kunde ist in dem Fall der Vater Staat.  Das ist doch völlig, das ist doch ein ganz normaler…, für eine Leistung werden wir bezahlt, ein ganz normales Geschäft. Es ist schwer, möglicherweise, diesen Zusammenhang zu verstehen, aber ich hoffe – ich geb mir soviel Mühe! – dass es am Ende der Veranstaltung auch jeder verstanden hat. (Breites Honigpferdgrinsen)

Ruge, zu Beise: Marc, hast Du verstanden jetzt, ok…? – Beise: Lassen wir’s an der Stelle mal bestehn, weil, er kann bestimmt auch noch ne Viertelstunde weiterreden. – Ruge: (lacht) … und mit vielen, vielen Zahlen aufwarten… – Beise: genau.

6. Die Achillesferse der Bahn und die Rolle des Eisenbahnbundesamts (Min 14:31 – 19:07)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=14m31s

Beise: Wir gehn jetzt mal… wir werden jetzt mal ganz handgreiflich, wir reden jetzt mal über die Dinge, die Ihnen ja auch n bisschen Sorgen machen. Fangen wir mal mit den Zügen an, das ist vielleicht das einfachste. Sie haben ja vor dem Winter Schlagzeilen
geschrieben, eigentlich nicht Sie, aber Sie haben sozusagen mit ihrem Unternehmen zu tun, Sie haben ICEs bestellt gehabt für den Winter, die waren eigentlich auch wichtig. Jetzt haben wir Glück gehabt, dass es ein milder Winter war; wenn er hart geworden wäre – Grube: na, der Dezember hatte schon ein paar Tage in sich… –  und Sie haben die Züge nicht bekommen von Siemens. Riesenthema eigentlich. Wie ist das so, wenn man sich drauf verlässt, wenn man immer wieder nachfragt, wenn man von dem Kollegen Spitzenmanager Löscher von Siemens gesagt kriegt, das kommt schon alles, das klappt, wir sind ein Technologiekonzern, wir haben das im Griff, und dann kurz vor Weihnachten sagen die „Wir liefern doch nicht.“?

Grube: Also, wir haben ein grundsätzliches Thema, unsere Achillesferse ist: wir haben zu wenige Züge.  Z.B., wir haben heute 253 ICE-Züge, davon sind mindestens 17 immer in der Werkstatt, in der Wartung, dann haben wir einige Fahrzeuge, die sind beschädigt, z.B. Müllfahrzeug gegengefahren, oder Bahnübergang, hat was auf’m Bahnübergang gestanden, etc., sodass wir heute 229 von den 253 ICEs haben. In der Regel betreibt man so eine solche Flotte mit 10% Puffer, d.h. bei 253 hat man ungefähr 26 Fahrzeuge immer im Rücken, wenn irgendwo was ist, dass man immer sofort dann Ersatzfahrzeuge hat. Diese Ersatzfahrzeuge haben wir nicht, und zwar aus zwei Gründen:

http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=15m51s
Erstens. Wir haben im Juli 2008, also vor meiner Zeit, gab es einen Achsenbruch in Köln; normalerweise gehen wir mit einem ICE alle 240.000 km in die Wartung, um Ultraschall-, Rissüberprüfung etc. zu machen. Das in Deutschland dafür zuständige Eisenbahnbundesamt hat uns dann verpflichtet, weil man festgestellt hat, die Achsen sind aus einem falschen Werkstoff gefertigt, und man hat falsche Achslasten angenommen, haben wir die Verpflichtung, alle 20.000 km in die Werkstatt zu gehen.  D.h., 12mal häufiger gehen wir in die Werkstatt. Und das entzieht uns natürlich nochmal Fahrzeuge. Bis heute haben wir noch nicht die Genehmigung, obwohl Siemens alle Berechnungen, alle Nachweise gebracht hat, haben wir vom Eisenbahnbundesamt noch nicht die Genehmigung, die Achsen, die alle fertig sind, die Radachsen umzubauen.  D.h., wir haben immer noch diesen Engpass.

Zweiter Engpass ist, wir bauen ja und wachsen ja glücklicherweise. Wir haben allein in diesem 1. Halbjahr 2012 (ich bin noch in 2012)  im ersten Halbjahr allein in Deutschland 40 Mio. zusätzliche Fahrgäste gehabt, ein riesiger Erfolg. Problem ist nur, die Züge werden immer voller,  und die Züge, die wir bestellt haben, nämlich 16 Hochgeschwindigkeitszüge, die modernsten Züge der Welt, sind z.Zt. nicht verfügbar, weil der Lieferant nicht liefern kann. Warum kann er nicht liefern? Da sind Punkte, die hat der Hersteller nicht zu verantworten, aber auch Punkte, die er zu verantworten hat. Ich will mich mal mit den Punkten beschäftigen, wo die Verantwortung nicht beim Hersteller liegt: das ist wieder die Zulassung von Zügen in Deutschland.  In Deutschland, und ich kann da sehr gut drüber reden, weil ich den Prozess aus der Luftfahrtindustrie sehr kenne. Ich sag mal, wenn die Luftfahrt, die EASA, die Europäische Luftfahrtbehörde, so organisiert wäre wie das Eisenbahnbundesamt , würde heute kein Flugzeug mehr zugelassen werden. Warum? Weil man heut beim Eisenbahnbundesamt alles nochmal nachprüft,  alles nochmal nachrechnet. Die einzelnen Mitarbeiter sind für alles verantwortlich, sie haften persönlich, es sind Beamten. Und ich glaube, man muss darüber nachdenken, das Eisenbahnbundesamt – gemeinsam muss man sich an n Tisch setzen, gemeinsam muss man über die Prozesse nachdenken, und über das Procedere, wie Züge in Deutschland zugelassen werden. Heute, wenn Sie einen neuen Zug zulassen wollen, dann dauert das 48 Monate. Das ist heute auch keinem Hersteller mehr zuzumuten. Und Sie sehen aus dieser ganzen Gemengelage haben wir natürlich eine Situation – und das macht mich so ärgerlich – dass sich unsere Mitarbeiter mit den täglich 7,5 Mio. Menschen… Sie müssen wissen, wir transportieren an einem Tag soviel Menschen wie z.B. die größte Fluggesellschaft in Deutschland in ganzen Jahr in Deutschland macht – das machen wir an einem Tag. Und Sie können sich vorstellen, dass viele
unserer Mitarbeiter werden konfrontiert mit diesem Schwachpunkt und die Kunden – zu Recht, der Kunde hat ne Fahrkarte gekauft, der will seine Leistung haben, macht seinem Ärger natürlich Luft bei unsern Mitarbeitern. Und das ist das, was mich so ärgert, dass unsere Mitarbeiter, die einen Superjob machen, das ist mein ganzer Stolz, wirklich, dass unsere Mitarbeiter tagtäglich sich diesen Ärger anhören müssen. Und das geht nicht. Und deshalb müssen wir uns dringend aneinen Tisch setzen, ich will auch hier keinem den Schwarzen Peter zuschieben, wir müssen alle viel besser zusammenarbeiten, und da gibt es genügend andere Industrien, ob das die Automobilindustrie ist, die Luftfahrtindustrie, da können wir alle viel von lernen, und da glaube ich, das ist der Mühe wert, da sollten wir unsere Arbeit fokussieren.

7. Das Eisenbahnbundesamt, die Sicherheit und der Verkehrsminister (Min 19:08 – 24:23)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=19m08s

Beise: Jetzt haben wir natürlich niemanden vom Eisenbahnbundesamt hier, deswegen übernehme ich mal n bisschen die Rolle. Sie haben’s so’n bisschen in die Richtung Beamten, und die gehen da ihrem Job nach, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen, … (Grube: das will ich nicht sagen!) Es ist natürlich ne Sicherheitsproblematik, ja? Der Deutsche erwartet, dass wenn irgendwas sicher in diesem Land ist, dann die Züge, und es hat natürlich den einen oder anderen Unfall gegeben, z.T. auch sehr tragische Unfälle, und deswegen ist natürlich der Wunsch eines Kontrolleurs, das auszuschließen, ist ja verständlich.

Grube: Herr Beise, 1. Sicherheit ist für uns das oberste Gut.  2. Das Verkehrsmittel Eisenbahn ist das sicherste Verkehrsmittel auf der ganzen Welt.  3. Was man keinem Hersteller heute mehr zumuten darf, dass wenn man mit der Entwicklung eines Produktes begonnen hat, dass im Prozess, wenn es nicht sicherheitsrelevant ist, pausenlos Normen, Regeln und Gesetze verändert werden. Da, muss ich sagen, hab ich viel Verständnis für die Hersteller, die einfach nicht fertig werden, denn die Entwicklung eines Zuges dauert nun mal eben 4-5 Jahre, und wenn sich auf dem Weg der Entwicklung und des Bauens von Produkten die Regeln immer wieder ändern – was übrigens in der Luftfahrt nicht der Fall ist, nur wenn man sicherheitsrelevante Aspekte feststellt, dann ist es aber eine Selbstverständlichkeit: keiner will unsichere Produkte –  aber das muss geändert werden, und das ist in der Luftfahrt geändert worden, das ist aber nicht geändert worden in dem Eisenbahngeschäft, und da müsste man dringend ansetzen. Das ist einer dieser Punkte. Und nochmals: ich hab überhaupt gar kein Interesse, hier Fingerpointing zu machen oder Schuldzuweisungen zu machen, ich ermahne ja nur alle Verantwortlichen, sich möglichst schnell an einen Tisch zu setzen, weil wir sonst zunehmend in Deutschland in eine Situation hineinkommen, dass wir bei den Herstellern keinen Wettbewerb mehr haben. Denn welcher Hersteller – ich bin ja in Japan unterwegs gewesen, auf der ganzen Welt, und hab auch mal so’n bisschen getestet, ob denn die andern Hersteller auch nach Deutschland kommen würden: nach Deutschland würde keiner kommen, weil sie dieser Situation sich nicht aussetzen wollen. Sie geh’n nach USA, sie geh’n nach England, überall. Nächstes Thema: die europäische …

http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=21m09s
Ruge: Moment, darf ich kurz fragen: der Verantwortliche ist doch Peter Ramsauer, unser Verkehrsminister? Und Sie haben ja nen sehr guten Draht zu ihm…

Grube: naja, das Eisenbahnbundesamt ist dem Bundesverkehrsminister zugewiesen, aber der Bundesverkehrsminister handelt richtig, wenn er sagt, das ist eine eigenständige, unabhängige Behörde, auch wenn sie disziplinarisch bei ihm hängt, aber ich glaube, Peter Ramsauer als Bundesverkehrsminister handelt richtig, indem er nicht dort Vorgaben macht.  (Einwurfe Ruge: Aber wie kann sich dann was ändern?) Grube: Aber er kann einen Prozess initiieren, und das macht er ja auch, ich muss sagen, Peter Ramsauer, äh, hat sich ja in den letzten Monaten persönlich sehr engagiert, ob das die Züge im Regionalverkehr waren, oder ob das die Züge im Hochgeschwindigkeitsbereich waren, also: Peter Ramsauer engagiert sich da sehr, das muss ich wirklich so positiv anmerken.

8. Forderung nach einem Runden Tisch zur Verbesserung der Prozesse für die Zulassung von Zügen in Deutschland und Europa (Min 21:52 – 24:23)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=21m52s

Beise: Aber den Runden Tisch, den Sie gerade gefordert haben im Gespräch, dass Sie sagen, wir müssen uns an einen Tisch setzen, wir müssen die Regeln für das Eisenbahnbundesamt ändern, das hat noch nicht stattgefunden?

Grube: Herr Beise, wissen Sie, vielleicht darf ich Ihnen jetzt etwas sagen, was in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist – (Beise: das wär schön!) –  ich habe mir natürlich schon in den letzten Monaten, seitdem ich verantwortlich bin und einfach mit dieser Situation konfrontiert werde, immer wieder die Frage gestellt: Hast du sowas in andern Industrien schon mal erlebt. Antwort: Nein.  Ja, dann die zweite Frage: Was kann man denn aus der Automobilindustrie und aus der Luftfahrtindustrie, also zwei Bereiche, die ich sehr gut kenne, sozusagen als Benchmark für die Eisenbahn zugänglich machen, und da habe ich mich hingesetzt mit einem Team und hab eine Ausarbeitung gemacht. Die hab ich dann am 12. Dezember vor einem Fachkreis hier in Berlin vorgestellt, und da ist die Idee geboren worden, dass es Ende Januar einen runden Tisch geben wird, den Sie gerade zitieren, wo alle Top-Leute an diesem Tisch teilnehmen – der ist initiiert worden von Minister Ramsauer -, wo wir uns Gedanken machen wollen, wie wir künftig die Prozesse für die Entwicklung, den Bau und die Zulassung von Zügen in Deutschland verbessern können.

Grube: Da kommt noch ein zweites Thema dazu: Heut(ig)e Reise- und Logistikketten enden ja nicht mehr an der nationalen Grenze, wir fahren heute nach Paris, nach Marseille, alles sehr erfolgreich; aber wenn sie heute einen Zug in Deutschland zugelassen haben, ist er nicht in Frankreich zugelassen., obwohl die Europäische Gemeinschaft dazu vor Jahren schon ein Gesetz verabschiedet hat. Aber da kommt auch wieder eine Schwäche der EU, dass Gesetze verabschiedet werden, aber in der Umsetzung – sag ich mal – wenig Schwerpunkte gesetzt werden. Und da sagen wir: auch das ist ein Punkt, wo ich meine muss man den Herstellern entgegenkommen. Es kann doch nicht sein, dass ein Zug, der hier in Deutschland zugelassen ist, in Frankreich nicht zugelassen ist. Da müssen wir auch dran arbeiten. Und ich sage immer: das Eisenbahngeschäft ist mittlerweile kein deutsches Geschäft mehr, es ist ein europäisches Geschäft, wir müssen die europäischen Zulassungsbehörden dort auch entsprechend breit aufstellen, um heute einen Zug, den ich in Deutschland fahren kann, auch künftig in Frankreich oder umgedreht, oder auch in Italien. Wir fahren heute nach Italien, wir sind in Warschau jeden Tag, es gibt Züge, die nach Moskau fahren, nach Stockholm, überall, wir wollen nach London, Sie kennen das Thema. Aber wir haben heute, wenn wir nach London fahren, nur um dies Beispiel mal zu nennen, fünf (!) unterschiedliche Elektrosysteme: ein deutsches, ein belgisches, ein holländisches, ein französisches, und ein englisches: fünf unterschiedliche Systeme! So, und da müssen wir dringend dran arbeiten. Und ich sag, in dieser Ecke bin ich sehr kritisch. Das Eisenbahngeschäft in Europa ist wirklich… gleicht dem Geschäft noch vor der Steinzeit. Da müssen wir ran.

9. Überleitung zum Thema Stuttgart 21 (Min 24:24 – 25:08)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=24m24s

Moderatoren: „Da müssen wir Stuttgart 21 ansprechen. Wollen wir ihn mal ein bisschen grillen, hoffentlich, wo wir ihn mal ein bisschen kriegen können, höffentlich.

Grube: ja gerne! Wär traurig, wenn Sie das Thema nicht ein bisschen… (ansprechen würden)

Beise: Ich meine, über Stuttgart 21 ist viel gesprochen worden, wir müss jetzt nicht die ganze Geschichte aufbereiten, Sie sind ja sozusagen erst in der Spätphase dieses Projektes dazugekommen. Aber dann ist ja alles gutgegangen, es hat die Landesregierung gewechselt in Baden-Württemberg, es sind die Grünen dran, es gab die Volksabstimmung, es wird jetzt alles gebaut, und jetzt schreiben Sie Schlagzeilen, weil es viel teurer wird als von Ihnen selbst, Ihren Leuten noch vor wenigen Monaten projiziert. Also haben die Gegner doch recht gehabt, dass das ganze aus dem Arm läuft.

10. „Das bestkalkulierteste Projekt der DB“ – Grube plaudert aus dem Nähkästchen (Min 25:09 – 28:34)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=25m09s

Grube: Herr Beise, es ist immer schön, wenn man auf der Zuschauerbank sitzt und keine eigene Verantwortung hat. (Beise: Ich bin froh, dass ich nicht an Ihrer Stelle bin…) Wissen, Sie ich habe gelernt, vor Verantwortung läuft man nicht weg, ganz im Gegenteil. Aber ich habe auch eines gelernt, insbesondere bei der Deutschen Bahn und insbesondere bei Infrastrukturprojekten: Mit Infrastrukturprojekten kann man heute keinen Blumentopf gewinnen. Aber man kann einen Blumentopf damit gewinnen, wie man es managed, nämlich: glaubwürdig, offen, transparent, und die Wahrheit sagen. Und zwar nicht erst im zehnten Jahr, wie es jetzt hier in Berlin gelaufen ist, sondern in einer Phase wie jetzt, wo man noch sozusagen in der Ausführungsplanung ist. Denn wir  haben ja mit dem Projekt gerade mal begonnen, und ich sag mal, wir reden ja über die Dinge, die ich jetzt der Öffentlichkeit mit meinem Kollegen Volker Kefer bekanntgegeben habe, über Prognosewerte in 10 Jahren. Nur, ich hätte ja genauso gut auch sagen können, ich behalte das mal alles für mich,  und im zehnten Jahr, da bin ich ohnehin nicht mehr verantwortlich, dann lass ich das mal meinen Nachfolgern.  Nein, das ist nicht der Stil, den ich will.

Beise: Sie hätten vor 2 Jahren andere Zahlen nennen sollen!

Grube: Nein – ja, pass auf, da muss man jetzt doch ein bisschen reingehen. Ich bin am 1. Mai 2009 gekommen. Vier Wochen vorher, am 2.4., hat man den Finanzierungsvertrag unterzeichnet. Da sag ich mal – das ist jetzt nen bisschen Kritik auch von meiner Seite, denn man hat zu dem Zeitpunkt gewusst, dass ich komme. Und man unterzeichnet nicht so einen Vertrag, wenn man weiß, ein neuer Vorstandsvorsitzender kommt. Das fand ich nicht ganz in Ordnung. Aber lassen Sie das mal dahingestellt sein.

Was ich dann gemacht hab, in der ersten Woche hab ich mir mal die großen Infrastrukturprojekte zeigen lassen, u.a. auch Stuttgart 21. Und dann ist mir aufgefallen, dass in diesem Finanzierungsvertrag drinstand eine Summe von 3,076 Mrd, aber darunter stand dick und breit: Planungs- und Kostenstand 2004. Was würden Sie — jedes Kind würde sofort sagen: wieso unterzeichnen Sie in 2009 einen Vertrag auf der Basis von Zahlen von 2004? Also meine nächste Frage war: „Wie kommt das, und wie sind denn die Zahlen in 2009?“ – „Ja, das wissen wir nicht.“ Da hab ich gesagt, „bitte, geht zurück und sagt mir die Kosten.“

(…) Dann hatte ich eine Aufsichtsratssitzung, und dann sagt der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Müller zu mir, am Ende der Aufsichtsratssitzung: „Herr Grube, wie machen wir denn bei Stuttgart 21 weiter?“ – „Na“, sag ich, „ganz einfach, wir gucken uns das Projekt an, ich guck mir die Kosten an“, und der damalige Kollege, der damals für die Infrastruktur zuständig war, ging dann sozusagen rein und sagte, das ist das bestkalkulierteste Projekt, was die Deutsche Bahn hat. Dann hab ich gesagt, wenn das so ist, kann ja nur die Zahl rauskommen, die ich von Ihnen kenne. 14 Tage später kommen dann die Projektleute zu mir und sagen: „Herr Grube, das kostet 5 Mrd.“ Da hab ich gesagt: „Das ist aber eine völlig andere Zahl als die 3,076 Mrd. Dann hab ich gesagt, ok, also wie macht man das in einem normalen Projekt, das ist ja völlig üblich, man sagt: Wo hat man Optimierungspotential? Dann haben wir ein Optimierungspotential von 890 Mio. definiert, und damit sind wir nicht bei 5 Mrd, sondern bei 4,088 Mrd. gewesen, einschließlich Puffer. So. Das waren die Zahlen. Dann haben wir losgelegt. Weil, man hat eine Obergrenze definiert von 4,526 Mrd., also waren wir darunter.

(Einwurf der Moderatoren:) „Das sollte eigentlich die Reißleine sein.“ (Grube:) Das sollte die Reißleine sein.

So, jetzt haben wir losgelegt. Und das war aber in einer Phase, als wir in der Entwurfsplanung waren. Wir haben unterstellt, diese 890 Mio. Optimierung, die sind nur zu holen, wenn die Landesregierung, die Stadtregierung, also die Stadt Stuttgart, mitmacht. (…) Herr Schuster war der Oberbürgermeister, Herr Öttinger war der Ministerpräsident, alle haben sie uns erzählt, daß sie das Projekt unterstützen. Es gibt ja auch eine Planungs- und eine Verpflichtung der Partner, mitzumachen… bei der Ausführungspflicht. So, und darauf haben wir uns verlassen.

11. Eine veränderte Situation: Wechsel der Landesregierung, des OB (Min 28:35 – 30:57)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=28m35s

Zwischenzeitlich hat sich die Welt aber verändert, wir haben heute keinen Partner mehr der das Projekt wirklich will, die Landesregierung will das Projekt nicht, die Stadtregierung will es nicht. Dann haben wir zwischenzeitlich eine Schlichtung gehabt, die war nie vorgesehen, wir haben einen Stresstest gehabt, der war nie vorgesehen, wir haben eine Volksbefragung gehabt. Alleine, wenn sie das mal zeitlich aufaddieren, was da zusätzlich an Zeit kommt! Wir sind jetzt 3 Jahre nach Unterschrift und haben eigentlich noch nicht richtig wirklich – in dem Stadium uns äh befunden, wo wir eigentlich in einem normalen Projekt sind. Und wenn ich ihnen heute mal sage, bei den Planfeststellungsbescheiden, oder bei den Planänderungs äh Themen, da brauchen wir das 4 bis 6 fache an Zeit, was wir bei einem normalen Projekt brauchen. So, und was machen sie, wenn ein Projekt nach 3 Jahre in diesem Zustand ist? Dann geben sie ganz normal als Vorstandsvorsitzender und als Vorstand die Devise aus „Bitte guckt euch die Zahlen an. Wo stehen wir jetzt?“. Das haben wir gemacht. Wir haben im April einen Auftrag vergeben, ein sogenanntes 6-Punkte-Programm, ich will jetzt nicht auf die Details eingehen; die Ergebnisse lagen im September vor, ich habe die dann nochmals prüfen lassen von einem Wirtschaftsprüfer, äh, und hab dann, wirklich so wie sich das gehört, mit dieser Professionalität die Zahlen dann dem Aufsichtsrat vorgestellt. Und das heißt von diesen 890 Mio, die wir als optimal, als Optimum holen wollten, haben sich nur 470 realisieren lassen. Weil in den anderen Themen bisher die Partner verweigert haben. Und da haben wir gesagt, pass mal auf, das müssen wir der Öffentlichkeit sagen. Denn sie wissen wie schwierig das heute ist, wenn sie Dinge kennen und sie verheimlichen sie. Und das ist genau das was ich sage: ich kann nur jedem empfehlen, bei Infrastrukturprojekten, wenn wir sie in der Öffentlichkeit mit ner Akzeptanz durchsetzen wollen – glaubwürdig, äh, mit Offenheit und Transparenz.
Wir haben nichts zu verstecken. Und ich empfehle sogar bei Planfeststellungsbescheiden, dass nicht irgendwo in den Zeitungen auf der Seite 27 bekannt zu geben, sondern ich sag die bekannteste Zeitung auf Seite 1 mit den größten Buchstaben, dass Erörterungstermine für Planfeststellungsbescheide stattfinden. Weil wir sonst immer in der, in dem Vorwurf stehen, dass wir etwas verschwiegen haben, dass wir die Bevölkerung nicht eingebunden haben, und ich sage ihnen eins, wie viel Zeit ich heute investier, auch in anderen Projekten, wo ich persönlich mit an die Basis gehe, mit den Menschen rede, mit den Gegnern rede, und das sind alles Menschen, die haben nichts gegen die Bahn, ganz im Gegenteil, das sind häufig Menschen, die haben eine hohe Affinität zur Bahn, die wollen nur einbezogen werden. Und da müssen wir uns viel, viel mehr Mühe geben.

12. Würden Sie so ein Projekt heute nochmal aufsetzen? (Min 30:58 – 33:20)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=30m58s

Ruge: Es ist total nachvollziehbar, was Sie eben erläutert haben. Jetzt sind wir aber bei Stuttgart 21 bei 6 Milliarden in etwa…

Grube: 5,6

Ruge: das ist ja noch mehr oder fast so viel, wie jetzt dieser ganze Großflughafen Berlin-Schönefeld kosten soll. Kurze Antwort bitte: wenn man sich das mal vergleicht, dieser riesige, komplexe Riesen-Flughafen und dann Stuttgart Bahnhof – Untergrund…

Grube: Oh, Entschuldigung, der Bahnhof kostet nur..

Ruge: …mit den zuführenden Trassen –

Grube: ja, das ist aber n ganz großer Unterschied. Der Bahnhof kostet in sich weniger als eine Milliarde

Ruge: Ja, trotzdem

Grube: Aber jetzt kommen ja die ganzen Tunnel dazu…

Ruge: darf ich trotzdem Ihre Meinung erfragen?

Grube: Ja

Ruge: diese sechs Milliarden, sehen sie diese heute als gerechtfertigt an? Würden Sie so ein Projekt heute nochmal aufsetzen?

Grube: Ja. Und zwar, ich persönlich sehe das so und will da auch kein Heuchler sein, ich hab damals schon als Daimler-Vorstand gemeinsam mit der Industrie in Baden-Württemberg für dieses Projekt geworben. Deshalb stelle ich mich heute auch hier nicht hin und sage: „Ich bin gegen dieses Projekt.“ Es hat ökologisch riesige Vorteile, es hat verkehrswirtschaftlich große Vorteile, denn wenn sie sich mal eine Luftperspektive, sie gucken sich aus einem Luftbild Stuttgart an, dann ist, ein Drittel ist weggenommen durch Bahn, ja? Dann ist der Schlossgarten, der Rosengartenpark sind getrennt. Und da sag ich einfach: „Man schenkt Stuttgart ein Drittel der Stadtfläche zurück“. Heute ein Kopfbahnhof ist immer ein Bahnhof, der nicht mehr zeitgemäß ist, einfach, weil sie viel mehr Zeit brauchen fürs Reinfahren, fürs Rausfahren. Dann müssen sie wissen, das ganze Gleisvorfeld ist über 15 Jahre nicht mehr restauriert worden, da ist kein Geld investiert worden mehr. Wenn man diesen Bahnhof morgen nicht machen würde, müssten wir mindestens 1,3 Milliarden investieren, um überhaupt das Gleisvorfeld alles in Ordnung zu bringen. Und gucken sie den Stuttgarter Bahnhof an, also das ist nun weiß Gott keine Visitenkarte mehr. Und hinzu kommt…
Ruge: Kurze Antwort bitte – Ja, ganz kurze.

Grube: ….moderne Mobilität ist die Verknüpfung der Verkehrssysteme. Der Flughafen ist heute nicht angebunden, mit dem neuen System wird der Flughafen erstmalig mit der Bahn angeschlossen. Wenn sie heute von Ulm nach Stuttgart fahren, brauchen sie 95 Minuten. In Zukunft machen sie das in 27 Minuten. Wenn ich heute vom Hauptbahnhof zum Flughafen fahr, fahr ich 27 Minuten, in Zukunft fahre ich 8 Minuten. Also ich kann ihnen so viele Vorteile nennen… Ausserdem vergessen sie nicht eins: die Politik hat 1992 einen Staatsvertrag unterzeichnet mit Frankreich und mit Österreich, nämlich der Vertrag von La Rochelle, womit sich Deutschland verpflichtet hat, das zu machen, was die Franzosen und die Österreicher bereits gemacht haben bis zur Grenze: die haben ihre Hochgeschwindigkeitsstrecke ausgebaut – nur das deutsche Stück fehlt.

13. Bezahlbarkeit, Imageschaden, Planungs- und Investitionssicherheit (Min 33:21 – 36:25)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=33m21s

Beise: „Herr Grube, jetzt mal unabhängig von der Frage, ob der Bahnhof in Stuttgart sinnvoll ist oder nicht, – und Sie sagen vehement, jawoll, das muss man machen (Grube: meine persönliche Meinung, im Endeffekt …) – gibt es einfach zwei Grenzen für solche Projekte. Das eine ist, wenn sie unbezahlbar werden, und das andere ist, wenn sozusagen das Image, die Glaubwürdigkeit dieses Projektes so leidet, dass es im Grunde mehr Schaden anrichten wird als Nutzen bringt. Das könnte hier bei Stuttgart 21 noch der Fall werden. Wir sind jetzt schon – Sie haben es ja vorhin geschildert: Sie haben 3 Milliarden vorgefunden als Kosten, Sie haben nachrechnen lassen, dann waren Sie bei 4,5, und jetzt nähern wir uns so langsam den 6 Milliarden – 5,6, sagen wir mal, runden wir mal großzügig auf, auf 6 Milliarden. Können wir uns denn wirklich darauf verlassen – diese Sendungen, die werden ja alle archiviert, die kann man in zwanzig Jahren noch nachschauen –, können wir uns darauf verlassen, dass wir nicht in drei Jahren über 8 Milliarden reden und in fünf Jahren über 10 Milliarden? Weil… dann wird das ganze desaströs!

Grube: Ja, Herr Beise, diese Themensendung können Sie auch nach zwanzig Jahren, auch nach zehn Jahren wieder rausholen, weil Sie mich noch nie erlebt haben, dass ich gesagt habe: exakt das ist die Größe für das Projekt. Sie können heute, wenn Sie Infrastrukturprojekte realisieren, nicht exakt auf zehn Jahre im Voraus den Preis haben. Wissen Sie warum? Ganz einfache Dinge: Erstens, Sie gehen immer in den Boden. Sie wissen gar nicht, was im Boden in ein paar hundert Metern Tiefe vorzufinden ist. Zweitens: kein Bauunternehmer macht heute mit Ihnen festgelegte Stahlpreise oder Zementpreise. Das sind alles Dinge, die sind in der Bewegung. Und deshalb sage ich Ihnen: Die Größenordnung, die muss stimmen. Aber auf Heller und Pfennig können Sie ein Projekt auf zehn Jahre nicht voraussehen. Und da sage ich auch, das halte ich für eine sehr gefährliche Diskussion. Denn wenn wir die Diskussion verfolgen, die Sie gerade angeschnitten haben, dann sage ich Ihnen ganz offen, dann werden wir in Deutschland kein einziges Infrastrukturprojekt mehr realisieren.
Und jetzt muss man sich auch mal sagen: Warum sind wir denn zum Beispiel so gut durch die Weltwirtschaftskrise gekommen? Da spielen viele Gründe eine Rolle. Ich in meinem kurzen Leben war ungefähr an dreißig bis fünfzig Standortentscheidungen für Fabriken mitbeteiligt. Wissen Sie, was immer entscheidend ist? Energieinfrastruktur, Verkehrsinfrastruktur. Und Schulen. Das ist immer der Standortfaktor, wenn man heute eine Fabrik irgendwo bauen will. Und da sage ich Ihnen ganz offen: Was haben wir Deutsche? Ein fantastisches duales Ausbildungssystem. Wir haben tolle Mitarbeiter, die hochqualifiziert sind. Wir haben innovative Menschen, wir haben nen tollen Mittelstand. Wir haben ne gute Relation zwischen, ich sag mal, Produktion und Dienstleistung. Alles in Ordnung. Aber ein ganz wesentlicher Punkt ist unsere Infrastruktur. Und – und das darf ich auch noch mal sagen – das ist einmalig in Deutschland und in Europa generell, aber Deutschland ist da schon eine tolle Ausnahme, eine Planungs- und Investitionssicherheit. Ich habe Fabriken in China gebaut, da kann ich Ihnen Geschichten erzählen, das ist in Deutschland unvorstellbar! Und dieses Gut, das dürfen wir uns auf keinen Fall nehmen lassen. Denn schauen Sie sich mal die DAX-Unternehmen an. Es gibt nicht ein DAX-Unternehmen in Deutschland, wo nicht mehr als 50 % von ausländischen Investoren kommen. Und die kommen unter anderem nach Deutschland, weil Deutschland eine Planungs- und Investitionssicherheit hat.

14. Mehrkosten – eine Frage der Glaubwürdigkeit (Min 36:26 – 37:34)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=36m26s

Beise: „Aber Herr Grube, wenn ich noch einen Satz sagen darf, … wenn wir – und da bin ich persönlich ganz Ihrer Meinung – wenn wir wirklich Großprojekte auch in Deutschland in Zukunft brauchen, wenn dieses Land wettbewerbsfähig sein will, dann brauchen wir eine Glaubwürdigkeit für diese Projekte. Und wenn es grundsätzlich so ist, dass alle Großprojekte ein zum Teil Vielfaches am Ende von dem verschlungen haben, auch an Steuergeldern, als am Anfang projiziert worden ist, dann werden wir überhaupt keine Großprojekte mehr haben. Wir müssen es irgendwie erreichen, dass diese Projekte wirklich vernünftig planbar sind – und dann 10 % teurer werden können, aber doch nicht 100 % oder 200 %.

Grube: Herr Beise, da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Nur: das ist kein Phänomen Deutschlands. Lassen Sie uns doch mal einmal in die Schweiz gehen, da ist gerade der Gotthardtunnel. Wissen Sie, wieviel der Gotthardtunnel schon teurer geworden ist? Fünf Milliarden. Fünf Milliarden! Ja? Also ich will damit sagen: Wir Deutschen haben auch eine Angewohnheit, dass wir alles selbst kaputtreden; und uns anschließend wundern, wenn dann solche Themen wie Glaubwürdigkeits… – man muss doch auf der anderen Seite mal die Tausenden Infrastrukturprojekte sehen – ich habe Ihnen ja mal unsere allein erzählt. Wir allein machen 2882 Infrastrukturprojekte.

15. „Was könnte besser laufen? (Min 37:35 – 39:20)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=37m35s
Wir reden jetzt über Stuttgart, äh, sicherlich gibt’s noch ein paar andere Themen, die bei uns auch noch besser laufen könnten, gar keine Frage. Aber es gibt doch ganz, ganz viele tolle Projekte –

Beise: Sagen Sie mal eins, was besser laufen kann!

Grube: Was besser laufen könnte?

Beise: Ja. Weil Sie jetzt immer alles so verteidigt haben, was so gut läuft, und jetzt haben Sie gerade gesagt, manches könnte besser laufen. Was könnte besser laufen – selbstkritisch?

Grube: Ach, selbstkritisch. Ja, zum Beispiel … nehmen Sie den Berliner Bahnhof, das war ja, als der gebaut worden ist in 2006, da hat’s ja auch Abstriche gegeben. Ja, oder, was könnte besser laufen – Rheintal zum Beispiel. Sie wissen, wir wollen ja durch Offenburg durch. Dort ist aber die Bevölkerung der Meinung – zumindest hat es 172.000 Unterschriften gegeben –, man möchte einen Tunnel bauen. Das dauert natürlich alles lange. Aber ich bin der Meinung, wir können heute die öffentliche Meinung nicht einfach beiseite schieben, wir müssen die öffentliche Meinung berücksichtigen. Und dann sage ich auch ganz offen, dann müssen wir das Geld auch in die Hand nehmen, dann müssen wir es auch ehrlich auf den Tisch legen und sagen: Okay, wenn wir die Meinung stärker berücksichtigen, brauchen wir die Zeit; und mehr Zeit kostet auch eben etwas mehr. Das müssen wir der Bevölkerung viel ehrlicher sagen. Und deshalb wird’s auch mit mir keine Zeit geben, ich werde in Zukunft ganz stark darauf achten – meine Kollegen genauso –, dass wir eher den Puffer etwas größer machen als zu klein. Und nicht nach dem Motto: Machen wir am Anfang mal die Kosten gering, damit das Projekt seine Finanzierung findet, und nachher kommen wir mit der großen Überraschung. Den Quatsch mach‘ ich nicht mehr mit!

Ruge: Das ist ein Mann… (APPLAUS)… ein Mann der überzeugenden, aber auch ziemlich langen Antworten. Wir kommen mit unseren Themen nicht durch. Sollen wir jetzt noch mal über das Thema „Schiene abtrennen von der Deutschen Bahn“ reden? Ich glaub, wir müssen…

Beise: Aber ganz kurz, weil ich schon auch über den Mensch Grube gerne noch ein bisschen reden würde.

Ruge: Ja eben, das wollen wir ja auch noch. – Beise: Genau – Ruge: Was möchtest du? Ganz kurz – das geht mit ihm nicht.

Beise: Doch, wir probieren’s mal. – Ruge: Wir versuchen das jetzt mal.

16. Abtrennung des Schienennetzes? Mehr Wettbewerb? (Min 39:21 – 42:14)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=39m21s

Ruge: Also, wir müssen zumindest mal adressieren, dass ja die Europäische.Union, der Kommissar, äh der Verkehrskommissar, möchte ja unbedingt, aber nicht nur er, sondern auch in Deutschland die Opposition, FDP, Grüne, auch Verbrauchervertreter, die möchten ja gern, dass die Deutsche Bahn endlich das Schienennetz – DBNetz abtrennt. Sie sind natürlich total dagegen. Sagen sie uns das wichtigste Argument!

Grube: Ja das wichtigste Argument ist, dass die Pünktlichkeit und die Sicherheit sind das größe Gut der Eisenbahn und das können sie nur mit der Qualität abliefern, wenn sie sowohl die Schieneninfrastruktur als auch das bewegende Material gemeinsam an einem gemeinsamen runden Tisch organisieren. Wenn sie zum Beispiel Wintertage haben, wie jetzt im Dezember, dann sitzen wir gemeinsam an einem Tisch und versuchen die beste Lösung zu (suchen), dass ist alles nicht mehr möglich. Und ich komme gerade aus Japan, in Japan gibt es ein integriertes System, in der Schweiz gibt es ein integriertes System; wenn heute Menschen zu uns kommen: „ja, pünktlicher werden!“, dann werden meistens diese beiden Beispiele genannt. Man vergisst aber völlig, dass das zwei integrierte Systeme sind. In der Schweiz und in Japan lacht man sich über die europäische Diskussion kaputt. Und ich sage ihnen ganz offen: ich warne davor, ein funktionierendes Geschäftssystem, ein funktionierendes Eisenbahnsystem dem Abenteuer zu überlassen, denn in Frankreich hat man das gemacht –

Ruge: Die EU sagt, den Wettbewerb … – Grube: ne ne ne ne, das muss ich jetzt auch nochmal sagen – Ruge: … dass Sie halt den Wettbewerb an den Schienen und Stationen zu teuer verkaufen …

Grube: darf ich das noch ganz kurz sagen – in Frankreich hat man die Trennung vollzogen, vor paar Jahren, und der jetzige Verkehrsminister Cuvillier und Hollande führen das  gerade wieder zusammen, obwohl die EU was völlig anderes will. In England hat man das vor Jahren gemacht, da gibt es einen McNult-Report, die würden es lieber wieder heute als morgen zusammenführen. Genau wie in der Energiewirtschaft, heute ist man sehr viel klüger. Einer der ganz großen Fehler in Deutschland war, das Netz und den Betrieb, die Produktion von Energie, zu trennen. Und deshalb warne ich nur davor, dass in Deutschland mit der Eisenbahn  zu machen, deshalb werden sie mich dort auch als Kämpfer erleben, weil ich diesen Quatsch nicht mitmache.

Ruge: Sind Sie mit Hr. Ramsauer, der sagt, die Bundesnetzagentur soll einfach kontrollieren, dass Sie ihren Mitbewerbern, die privaten Anbietern, dass Sie denen ihre Trassen nicht zu teuer verkaufen?

Grube: Frau Ruge, wir haben heute in Deutschland nicht umsonst 370 Mitbewerber, nicht weil wir hier Diskriminierung betreiben, nein, weil Deutschland ist für Wettbewerb ein Eldorado, es gibt kein anderes Land auf der ganzen Welt, wo es so viele Wettbewerber auf der Schiene gibt. Selbst wenn ich alle Wettbewerber in Europa aufaddiere, komme ich nicht auf die Zahl von 370. Also ich glaube, darauf gibt es eine Antwort, nämlich: in Deutschland findet wirklich Wettbewerb statt. Gehen sie doch mal in andere europäische Länder, gehen Sie in die Schweiz, gehen Sie nach Italien, gehen Sie nach Frankreich, gehen Sie nach Spanien – haben Sie da Wettbewerb gesehen? Nein!  England, Skandinavien und Deutschland sind die drei Musterländle, wenn es um Wettbewerb geht, und da sag ich, da soll die EU erstmal darauf achten, dass sie das umsetzt, was sie per Gesetz schon lange beschlossen hat. Ich sag‘ immer: 20% ist Gesetz und Papier und Strategie, 80% ist Umsetzung. In der Umsetzung hapert es kräftig.

17. der Mensch und Manager Grube (Min 42:15 –  56:11)
http://www.youtube.com/watch?v=xt63H6u0n7o#t=42m15s

Moderatorin: „Der Mensch.“

Moderator: „Der Mensch. Wenn man nach einer dreiviertel Stunde, die wir schon geredet haben, Herr Grube, die Zeit vergeht rasend schnell, eine erste Zwischenbilanz zieht, ich eine Zwischenbilanz ziehe, sage ich, man merkt total, wie Sie mit Ihrem Thema leben. Ich weiß nicht, ob Sie da schon immer so in ihrem Leben war, aber die Bahn, die leben Sie aus allen Poren. Und das passt zu dem, was man über Sie liest, dass Sie erstens von morgens früh bis abends spät arbeiten,  ok, das ist üblich in Ihrem Job, dafür verdienen Sie auch viel Geld, aber dass Sie auch wirklich sehr detailliert reingehen, dass Sie in Aussschusssitzungen sind. Sie haben glaube ich gesagt, Sie wollen in Zukunft 50% von ihrer Arbeitszeit bei Mitarbeitern in den Regionen verbringen. Angeblich rufen Sie jeden Tag, frisch ausgesucht sozusagen, mehrere unzufriedene Kunden zurück, persönlich, und fragen, „Warum haben Sie sich eigentlich bei der Bahn beschwert?“ Gleichzeitig machen Sie noch viele andere Sachen. Sie wollen jetzt sogar noch in den Verwaltungsrat von EADS gehen und die EADS kontrollieren. Wie schaffen Sie das alles?“

Grube: „Zunächst, ich hab das nicht vor, sondern ich mach das seit gut einem Jahr, dass ich 50% meiner Zeit mit Mitarbeitern in der Region verbringe, weil erstens lehne ich das ab, dass Mitarbeiter zu mir kommen, sondern ich geh zu den Mitarbeitern. Zweitens, ich hab einen guten Bekannten, der für mich auch immer ein Vorbild war in der deutschen Industrie, (das) ist Herr Weber, Jürgen Weber, von der Lufthansa. Herr Weber hat ja in den 80er Jahren, als er damals von Herrn Lunau das Geschäft übernommen hat, auch einen Kulturwandel eingeleitet bei der Lufthansa, und ich hab Herrn Weber gefragt, wie er das damals gemacht hat. Da hat er gesagt: „Da kannst du lange rumdoktorn, es hilft nur eins: Ärmel hochkrempeln und selbst in die Region. Du musst 50% deiner Zeit mit Mitarbeitern und Führungskräften investieren.“ Und das hab ich nachgemacht und stelle fest, dass das hervorragend ankommt, die Mitarbeiter empfänden das als Wertschätzung, als Respekt. Das ist ein großes Thema.

Bei dem Telefonieren, ach wissen sie, wenn sie so ein großes Schiff steuern wie ich, dann dauern Entscheidungen, bis die unten ankommen, unheimlich lange. und deswegen greif ich manchmal selbst zum Hörer und sag: „Pass mal auf,  mit dem Kunden kann auch ich telefonieren“. Nun krieg ich aber jeden Tag über Tausend E-Mails, Briefe, etc., das kann ich natürlich nicht selbst machen, aber ich hab gesagt, ich möchte auch mal den Ton des Kunden selbst  wahrnehmen und nehm je nachdem wieviel Zeit ich hab, zwischen  5 und 10 Briefe zieh ich mir willkürlich aus dem dicken Haufen und ruf dann einfach an, lass mich auch nicht durchstellen, sondern ruf wirklich an, und dann erleben sie natürlich so nette Beispiele wie: ich hab Heidi Klum z.B. mal einen Brief  gehabt , hab da angerufen und hab mich tierisch gefreut, dass ich mal die Chance hatte, it Heidi zu telefonieren, es war allerdings ihr Vater am Telefon, und da sagte er zu mir: „Herr Grube, das ist die größte Marketingnummer, eine riesige Schweinerei, dass jetzt die Bahn schon ihren Vorstandsvorsitzenden doubelt!“ Da hab ich gesagt: „Nein, ich bin das wirklich“ und nach einem gewissen Austausch hat er das dann geglaubt und dann war sein Thema überhaupt ganz unwichtig, dann war mehr das Thema, ob ich seine Fernsehsendung sponsor. Solche Erlebnisse hat man auch.

Was  ich feststelle, Spaß beiseite, dass Respekt, Wertschätzung und einfach  mal zuhören sind ganz ganz wichtige Führungselemente, die man heute, da muss man nicht drüber reden, die muss man persönlich praktizieren.

Moderator:  „Kann das aber sein, dass Sie nicht Neinsagen können? Jetzt kommt  wie gesagt mein letzter Punkt, jetzt kommt noch die Kanzlerin und sagt, „mit dem Grube kann ich so gut. Das ist so ein Mensch, der alle Probleme aus dem Weg  schafft.  Wir haben ein Problem mit EADS, das muss neu aufgestellt werden europaweit, der Luft- und Raumfahrtkonzern, da muss der Grube in den Aufsichtsrat und das managen.“ Irgendwann müssen sie doch auch mal Nein sagen.

Grube: „Nein, Herr Beise. Natürlich fühlt man sich zunächstgeehrt, wenn man für so eine Aufgabe angesprochen wird. Zweitens hab ich ja lange genug die EAD, ich hab die EADS 1997 mitgegründet und hab das teilweise sogar am Anfang sozusagen total verschwiegen gemacht, hab die EADS selbst als Chairman geführt, hab die Corporate Governance damals verändert, übrigens mit Jens Weitmann, dem heutigen Bundesbankpräsidenten. Da hat man dort natürlich auch sein Herz. Aber sie werden sich vielleicht nicht wundern, wenn man mal so über Weihnachten ein bisschen schlafen kann, auch mal wieder ein bisschen regenerieren kann, dann denkt man auch über ein paar Dinge nach und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich meine Arbeit voll der Bahn zur Verfügung stellen will, den Mitarbeitern, den Führungskräften und dass ich für andere Aufgaben nicht zur Verfügung stehe. Ich werde die Aufgabe bei der EADS nicht annehmen.

Moderator:  „Ah, das ist eine Neuigkeit! Okay, vielen Dank für diese Information.“

Moderatorin: „Wenn sie über Weihnachten in sich gegangen sind und endlich mal schlafen konnten, dann liegt das nahe, dass Sie sonst sehr wenig schlafen. Man sagt, dass Sie um 7 Uhr im Büro sind und nicht vor Mitternacht zumindest aufhören zu arbeiten, das muss ja nicht unbedingt im Büro sein. Ist da was dran? und morgens um 5 Uhr sind sie dann noch im Tiergarten joggen?

Grube: „Ja, das Laufen ist für mich eine ganz wichtige Geschichte, das ist für mich, ich sag mal Laufen ist für mich wie Zähneputzen. Da strukturiere ich mich, da finde ich Kraft, da sortier ich mich. Ich muss allerdings sagen, ich hab einen Grundsatz: wenn ich weniger als 5 Stunden Schlaf hab, dann schlaf ich lieber eine halbe Stunde oder Stunde länger, bevor ich laufe. Aber am Wochenende Halbmarathon ist für mich ein Muss, aber dann fühl ich mich auch richtig toll, und da muss ich sagen: Ja, Arbeit, wissen Sie, das ist nicht nur bei mir, das ist bei allen heute so: wer heute ein großes Unternehmen führt, muss heute arbeiten. 100 % Einsatz ist heute gefragt. Ich sag sogar, ein bisschen mehr.

Moderatorin: „7 bis 0 Uhr ist schon realistisch?“

Grube: „Also 7 bis 0 Uhr – das ist mehr als das, is es.“

Moderatorin: „Ne Ehe hält das nicht aus.“

Grube (zögert): „Da haben Sie nicht ganz unrecht. Das ist schwierig. Mit Sicherheit bin ich kein gutes Vorbild, was die Balance zwischen Arbeit und Freizeit betrifft. Ich versuch mich zunehmend auch zu disziplinieren, dass ich zumindest am Wochenende mal einen Tag hab, wo ich nicht die Pilotenkoffer mit Post ein- und auspacke und bearbeite. Aber ich sag Ihnen ganz offen: ich steh auch dazu! Ich möchte meine Aufgabe auch gut machen. Und wenn Sie die Aufgabe gut machen wollen, müssen Sie auch Zeit investieren. Und ohne Zeit geht es nicht. Ich bin vielleicht auch kein Naturtalent, muss ich auch dazu sagen. Ich bin ein ganz, Sie kennen meinen Lebensort, ich bin ein Kind des zweiten Bildungsweges. Ich musste immer arbeiten, mir ist nie automatisch was zugefallen. Deshalb sag ich einfach: Mir macht das Spaß. Ich freu mich ungemein darüber, dass unsere Mitarbeiter so toll mitmachen, und unsere Führungskräfte, wir haben eine neue Strategie erarbeitet mit über 15 000 Mitarbeitern, das ist eigentlich eine Genugtuung, muss ich sagen, das macht mir wirklich Spaß. Und ich möchte auch, ganz offen gesagt, ich bin nun auch nicht mehr der ganz junge, ich möchte auch mit dem Thema Bahn auch ein bisschen unser Gesellenstück abgeben, und das ist nicht nur für mich, das ist auch ein bisschen für unseren Vorstand.“

Moderator: „Ein bisschen sind Sie nun auch in den bunten Gazetten gelandet zum Schluss, weil Sie ja nun immerhin mit einer Prominenten, mit der Sterneköchin Cornelia Poletto zusammen sind. Das ist auch eine neue Erfahrung.“

Grube: „Herr Beise, da gibt es eine Antwort: Dienst ist Dienst, Beruf ist Beruf, und privat ist privat.“

Moderatorin:  „Mitarbeiterzufriedenheit. Vielleicht kann ich da ja gut ablenken. Mitarbeiterzufriedenheit ist für Sie ja riesig. Sie möchten gerne der beliebteste Arbeitgeber, zu den 10 beliebtesten wollen Sie zumindest gehören in Deutschland bis 2020. Sie haben eine riesen Mitarbeiterbefragung im vergangenen Jahr aufgesetzt, so gut wie alle 300 000 wollten Sie erreichen, haben 61 % glaub  ich

Grube:“ 64% “

Moderatorin: „64% sogar erreicht, sollte jetzt in der nächsten Zeit veröffentlicht werden, das Ergebnis. Können Sie schon was rauslassen?“

Grube: „Nein, ich kenn die Ergebnisse selbst noch nicht. Wir werden uns im Vorstand jetzt in der ersten Vorstandssitzung im Januar damit beschäftigen. Aber ich sage Ihnen eins, das Ergebnis ist für mich gar nicht so wichtig, weil ich weiß, das Ergebnis kann noch gar nicht gut sein. Dafür ist die Vergangenheit auch zu bewegt gewesen. Sie kennen die Themen, Datenaffäre und und und. Was für mich jetzt wichtig war, dass wir eine hohe Beteiligung haben, und Fachleute sagen mir, bei einer Erstbefragung geht man von einer Beteiligung von ca 35-40% aus. Das sind Benchmarkwerte. Wir haben jetzt 64,4% geschafft. Das ist für mich zunächst mal ein sehr schönes Ergebnis. Das zeigt nämlich, dass die 300 000 Mitarbeiter – übrigens in 38 Ländern haben wir abgefragt -, haben sich mit 64,4% beteiligt, Das ist das, was mich zunächst mal mutig stimmt. Die Ergebnisse werden noch nicht gut sein, das ist meine Unterstellung“

Moderatorin: „Darf ich kurz unterbrechen, ich glaub vor 3 Jahren gab es eine Umfrage, die war wesentlich weniger..“

Grube: „ne, vor 10 Jahren. 2001. Da hat der Vorstand aber gar nicht Ergebnisse bekannt gegeben, weil sie offenbar so grottenschlecht waren, und das ist natürlich eine große Enttäuschung bei den Mitarbeitern gewesen, weil man gesagt hatte, die Ergebnisse werden bekannt gegeben. Weil sie dann so schlecht waren, hat man sie nicht bekannt gegeben. Und es war eine schlechte Beteiligung auch. Nur, das dürfen wir auf keinen Fall wiederholen. Aber jetzt noch, was für mich viel wichtiger ist, wissen Sie, dass wir jetzt, nachdem alle Führungskräfte die Ergebnisse haben, wir jetzt Workshops machen mit den Mitarbeitern. Und zwar jede Führungskraft muss mit den Mitarbeitern jetzt Workshops machen bis zum Sommer und sagen: Das sind unsere Ergebnisse, runtergebrochen bis zur Abteilung, aber in einer Grßenordnung, dass es immer anonym bleibt. Und das sind allein in Deutschland 7000 Workshops, die wir jetzt durchführen bis zum Juni. Im Juni werden die ganzen Maßnahmen und Ergebnisse dann wieder zusammengetragen und im zweiten Halbjahr machen wir dann wieder Mitarbeiterveranstaltungen, wo wir mit den Mitarbeitern  Gesamtergebnisse besprechen. Das ist ein Prozess, den wir jetzt wirklich über eine lange Phase betreiben und so wollen wir versuchen die Mitarbeiter wieder dort von der Motivation und Zufriedenheit hinzubekommen, wo wir sie hin(haben) wollen. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, wir brauchen zufriedene Kunden, zufriedene Kunden bekommen wir nur, wenn wir zufriedene Mitarbeiter haben. Unsere Mitarbeiter sind unser A und O, und da haben wir noch viel, viel Themen und Arbeit vor uns.“

Moderator: „Ich würde gerne nun trotz der fortgeschrittenen Zeit nochmal kurz zurückgucken, weil Sie jetzt mehrfach gesagt haben, wir müssen das besser machen als früher, und früher hatten wir ja viele Probleme. Und da muss man ja sagen, dass bis Sie gekommen sind, die Bahn das Unternehmen für Pleiten, Pech und Pannen waren und auch mit schelchtem Betriebsklima, wie Sie gesagt haben. Und dann sind Sie da eingestiegen und haben ja in kurzer Zeit im Grunde das alles umgedreht. Sie haben den ganzen Vorstand mehr oder weniger entlassen, also umgebaut, sagen wir mal so. Sie haben die Geschäftsführung hier in Berlin, S-Bahn Berlin ist ja ein bundesweit bekanntes Thema, ausgetauscht. Sie haben eigentlich Tabula Rasa gemacht, sehr schnell.

Moderatorin: „Den Börsengang haben Sie zurückgenommen. Es war ja Personalabbaustrategie, Sie haben 10 000 bis 2013 dazu, und so weiter.“

Moderator: „Es ist ja ein riesen Mistrauensvotum gegenüber allem, was vorher war, auch gegenüber dem vorigen Management. Und trotzdem hab ich gelesen, dass Sie mit ihrem Vorgänger Herrn Mehdorn persönlich befreundet sind. Wie passt das zusammen?“

Grube: „Ja, absolut. Also erstens bin ich kein Mensch, der über vergangenes Management urteilt. Erstens war ich nicht dabei, zweitens steht mir das nicht zu, und drittens im Nachherein etwas zu kritisieren, ist sehr einfach. Ich möchte auch nicht, wenn ich mal irgendwann die Verantwortung abgebe in die nächsten Hände, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger dann alles besser weiß in der Zeit, in der derzeit in der ich… Es ist vielleicht am Anfang ganz schick, weil es lenkt ein bisschen von den eigenen Themen ab, aber das mach ich nicht. Deshalb sage ich „nach vorn, nicht nach hinten gucken“, nach vorne, und ich bin auch ein Mensch ich übernehme von Anfang an selbst die Verantwortung.

Aber warum hab ich Tabula Rasa gemacht? Ganz einfach, weil ich eins gelernt hab: Glaubwürdigkeit, Glaubwürdigkeit und nochmal Glaubwürdigkeit.

Nettes kleines Erlebnis: Als ich erfuhr, dass ich die Aufgabe übernehme, 4 Wochen vorher, vor dem 1. Mai, hab ich zu meiner Sekretärin in Stuttgart bei Daimler gesagt: „Ich möchte mal selbst mit dem Auto zum Hauptbahnhof fahren, mir selbst ne Fahrkarte kaufen und dann mit dem Zug zu meinen neuen Kollegen fahren.“ Das hab ich gemacht, den Parkplatz hab ich gefunden, am Automatenschalter bin ich gescheitert, dann bin ich ins Ticket-, ins Kundenzentrum gegangen, da musst‘ ich mich anstellen, das verlernt man auch als Vorstand. Dann hab ich mich fleissig angestellt, dann hab ich meine Plastikkarte gezogen, dann merkte ich, ich brauch Kleingeld, und dann fing ich an und sagte: „Ich hab ne kleine Karte“ Dann guckte sie, und ich sagte, „Ja, ich bin’s“ Das hatte sich offensichtlich rumgesprochen und dann meinte ich, ich müsste über die Datenaffäre reden, weil das ja der Grund war, warum ich überhaupt zur Bahn gekommen bin. Wissen Sie,  was die junge Dame, die junge Kollegin zu mir gesagt hat? „Herr Grube, Ihr da oben habt uns die Suppe eingebrockt. Und ihr löffelt die auch selbst wieder aus!“ Und als ich dann wegging, rief sie mir noch hinterher: „Und Herr Grube, vergessen Sie nicht“ – damals waren wir noch 242 000 Mitarbeiter – „242 000 Mitarbeiter gucken jeden Tag hin, ob sie genau so’n Starker sind wie ihr Vorgänger.“

Wenn Sie sowas serviert bekommen, dann denken Sie schon drüber nach wie sie so ein Thema… und dann habe ich relativ schnell, nachdem ich so viele Informationen hatte, gesagt, komm, es muss ein neues Team her, weil sonst nehmen mir die Mitarbeiter die Glaubwürdigkeit einfach nicht ab, Und deshalb haben wir fair, aber klaren Tisch gemacht. Und das war auch richtig so.“

Moderatorin: „Es gibt so viele Themen, über die wir so noch gerne mit Ihnen reden würden, z.B. die Erfolgsabhängigkeit des Einkommens der Vorstände, dass sie nämlich von der Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit abhängig bezahlt werden. Wie er überhaupt in diese Riesenkarriere gekommen ist als einer, der noch nicht mal Realschulabschluss machen sollte und Obstbauern als Eltern hatte und und und, aber wir müssen Ihnen die letzte Frage stellen“

Moderator: „Die letzte Frage machen wir wie immer, oder?

Moderatorin: „Ja“

Moderator: „Wir stellen ihnen drei Alternativen zur Auswahl. Sie dürfen nur eine wählen. Sozusagen die eine Sache, die Sie auf die einsame insel mitnehmen. Wenn Sie von drei Dingen, die wir ihnen wählen, nur eine umgesetzt bekommen könnten, was könnte das sein?

Erstens: Siemens und Bombardier lieferen in Zukunft alle Züge pünktlich“

Moderatorin: „Oder das Eisenbahnbundesamt wird immer schnell und sehr effizient genehmigen“

Moderator: „Oder wir kriegen endlich doch den Transrapid noch nach Deutschland, der in China so schön fährt.“

Grube: „Also dass Siemens und Bombardier pünktlich die Züge liefern!“

Moderator: „Das ist ihnen das wichtigste?“

Grube: „Ja!“

Moderatorin: „Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich glaub, woanders gehört der im Moment nicht hin.“

Grube: Dankeschön. Vielen Dank.

Moderatorin: Vielen herzlichen Dank für Ihren Besuch, wir haben wahnsinnig viel mitgenommen. Danke.
Ihnen auch Danke für’s Zuschauen, liebe Gäste.

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