Der mit viel Bauherrenstolz als fertig gestellt präsentierte Zugang zu dem provisorischen Querbahnsteig, fernab der Bahnhofshalle, wird nun auch mit einem großformatigen Werbeplakat verziert. Das dümmste Projekt der Deutschen Bahn erfordert auch eine permanente Verdummung des Bahnkunden. Vielleicht schaut eh keiner hin, weil er viel mehr bemüht sein muss, in dem angerichteten Chaos den richtigen Zug auf dem richtigen Gleis zu erwischen. Mit dem Querbahnsteig, 120 Meter entfernt vom restlichen Bahnhof, hat die Landeshauptstadt Stuttgart erreicht, was sie immer verhindern wollte: degradiert zum Vorstadtbahnhof.
Schauen wir uns das tolle Plakat aus der Entfernung an, prangt dort überdimensional das Logo der Europäischen Union. Soll das heißen, diesen Mist haben sie Brüssel zu verdanken? Doch viel mehr ist die Bahn seit Jahren bemüht, die Zerstörung des Stuttgarter Hauptbahnhofes als ein Projekt der EU darzustellen, so als wären das eine Qualitätsauszeichnung und eine höhere Notwendigkeit.
Für jedes Hoheitszeichen gibt es Regeln der Verwendung
Am oberen Rand des Plakates werden die Projektträger aufgeführt. Diese sind ja vertraglich gebunden, unter anderem durch die Selbstaufgabe namens „Projektförderpflicht“.
Die Einreihung der EU in die Liste dieser Kastrierten ist grundfalsch. Darüber hinaus möchte die Europäische Union auch, dass das Logo nur im Zusammenhang mit dem ausgeschriebenen Namen verwendet wird. Und natürlich nur bei Projekten, an denen sie tatsächlich beteiligt ist.
Die Abbildungen machen überdeutlich, es geht um den Stuttgarter Hauptbahnhof. Der Text lässt ebenfalls keine Klarheit vermissen: „Bau der Talquerung mit Hauptbahnhof PFA 1.1“. Der EU-Abgeordneten Sabine Wils wurde auf eine entsprechende Anfrage geantwortet:
„Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Entscheidung, welches die am besten geeignete Strategie für den Bau des Abschnitts Stuttgart-Ulm des PP17 ist, dem Mitgliedstaat überlassen. Die Kofinanzierung der EU wurde auf die Verbindung Stuttgart-Ulm als Teil des PP17 beschränkt. Somit wurde der neue unterirdische Hauptbahnhof von einer TEN-V-Finanzierung ausgeschlossen.“
In gleicher Weise wurde auch der EU-Abgeordneten Heide Rühle geantwortet:
„In Anbetracht der begrenzten Finanzmittel für die Entwicklung des transeuropäischen Verkehrsnetzes sind die Bahnhöfe und alle dazugehörigen Infrastrukturen von den kommunalen, regionalen und nationalen Behörden selbst zu finanzieren.“
Die Bahn selbst beschreibt dies auf ihrer Projektseite im Internet sogar ganz korrekt. Man muss dort allerdings erst einen Klick auf das EU-Logo machen, um zu lesen:
„Für die Beseitigung des Engpasses Ulm–Wendlingen sind 101,45 Millionen Euro und für das Projekt Stuttgart–Wendlingen 114,47 Millionen Euro vorgesehen.“
Die EU ist also geradezu umgekehrt proportional zur Größe ihres Emblems an der Finanzierung beteiligt, nur zu ca. 3% der bisher offiziell eingeräumten 6,8 Milliarden Euro.
Von diesen beiden Förderabschnitten ist auf der dargestellten Karte nichts zu sehen. Dort fällt vor allem die schwarze Fläche im Zentrum auf – der offenbar als schwarzes Loch für schwarze Kassen geplante Rückbau des Gleisvorfeldes an Skt. Nimmerlein. Dieses Immobilienprojekt ist ja schließlich der ganze Sinn der Unternehmung. Die Beschleunigung der Transeuropäischen Verkehrsinfrastruktur ist auch ganz ohne den Umbau zum Sargbahnhof möglich.
Brüsseler Phantasien, Düsseldorfer Ignoranz oder Stuttgarter Dreistigkeit?
Ansonsten bedient man sich in der Darstellung bei den üblichen Simulationen. Da wachsen riesige Bäume auf dem Sargdeckel, während im gleißend hellen Keller alles etwas breit gezogen wird, damit die unzulässige Enge nicht so auffällt. Für die vorgeschriebenen Fluchttreppenhäuser fehlt den Grafikern hingegen immer noch die Phantasie.
Phantasie lässt die EU bei der Verwendung ihres Emblems allerdings wenig zu. Die Schriftarten werden vorgegeben, die Farben und die Proportionen. Die Bahn verwendet aber lieber ihre eigene Schriftart. So erscheint das Logo selbst fast zusammenhanglos. Die textliche Nennung der Kofinanzierung und des zugehörigen Programms der EU scheinen eher der Projektleitung untergeordnet zu sein – mit dem Planfeststellungsabschnitt 1.1 hat die Europäische Union jedenfalls nichts zu tun.
Bei den beiden genannten Eu-Abgeordneten werden wir mal anfragen, ob inzwischen eine Quersubventionierung durch die EU-Kommission angenommen werden muss, oder ob gar von weiteren Fördermitteln angesichts der ungelösten Finanzierbarkeit des Gesamtprojektes auszugehen ist.
Weitere Informationen
Regeln zur Verwendung des Emblems der Europäischen Union (Englisch) :
http://publications.europa.eu/code/en/en-5000100.htm
http://eacea.ec.europa.eu/about/logos/eu-emblem-rules-hr.pdf
( Jochen Schwarz auf schaeferweltweit.de )
Wer gerne selbst etwas schreiben möchte, kann sich auch an diese Stelle wenden:
Questions related to use of the European emblem can be directed to:
European Commission
Joint Research Centre
Directorate A.4 — Central IP Service
GUIM 5/20
1049 Bruxelles/Brussel
BELGIQUE/BELGIË
E-mail: EC-EU-EMBLEM@ec.europa.eu