Erfahrungen aus dem Hambacher Forst

Am Mittwoch den 07.08. fand im „Lilo“ die Infoveranstaltung der WiesenbesetzerInnen am Hambacher Forst statt. Anhand der Berichte der 4 Vortragenden und ergänzender Bilder ging es um folgende Themen:

  • Risiken, Gesundheitsgefahren und Umweltgefährdung durch Braunkohle
  • Entwurzelung
  • Geschichte der Besetzung
  • Repressionen
  • Ausblick 

Garzweiler II und die Grube am Hambacher Forst stellen die mit größten Löcher in Europa dar. Naturzerstörung und Vernichtung von Heimat sind gewaltig. Die Bergrechte, die zu Einrichtung der Tagebaue führen, stammen noch aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts, als die Förderung der Rohstoffe als kriegswichtig allem anderen vorangestellt wurde. Bergschäden (unter anderem durch massives Abpumpen von Grundwasser) sind gewaltig, Entschädigung zu bekommen dagegen äußerst schwierig. Der Trichter der Auswirkungen des Grundwasserabpumpens zieht sich bis nach Holland, und gepumpt wird bereits viele Jahre vor Baggerbeginn (1978). Das Ausmaß der Grube Hambach ist kaum vorstellbar (8 km mal 10 km bei einer Tiefe von aktuell bis zu 450 Metern). Dabei ist die kohlehaltige Schicht nur sehr dünn. Renaturierung bedeutet: Es entsteht an einer Stelle ein gewaltiger Berg, auf den das abgepumpte Wasser gegossen wird (Bäume haben dort keinen Kontakt mit Grundwasser). Die zweite Hälfte wird einmal von einem riesigen See bedeckt sein.

Widerstand der Bevölkerung in den Dörfern, die abgebaggert werden sollen, ist leider gering. Die Zerstörung und Umsiedlung ist seit Jahrzehnten bekannt und wird als unveränderbar hingenommen. Wer sein Grundstück früher verkauft, bekommt einen (nur relativ zu späteren Verkäufen) besseren Preis- Nachbarn werden gegeneinander ausgespielt. Trotz der weitgehenden Resignation der Bevölkerung (die nicht nur Besitz, sondern auch Heimat unwiederbringlich verlieren wird. Orte der Kindheit können nur noch im Traum aufgesucht werden- das muss jeder mit sich allein ausmachen) ist es legitim und wichtig, eine Gegenposition zum Energiekonzern RWE einzunehmen. Widerstand der AktivistInnen richtet sich nicht nach offiziellen Mehrheiten (die in Jahrzehnten des Meinungsmonopols entstanden), sondern setzen dem Monopol bewusst Fakten entgegen. Fakten wie Gesundheitsgefahren und Naturzerstörung sind eben nicht nur „Meinung“, wie manche Politiker gerne sagen.

Das erste Waldcamp entstand im April 2012. Viele Bilder dazu waren auf dem Vortrag zu sehen, sie finden sich teilweise auch auf der Seite der BesetzerInnen. Es gab zahlreiche Baumhäuser nebst einem Wegesystem in luftiger Höhe, dazu ein winterfest ausgebautes Küchenhaus. Die Räumung fand Mitte November 2012 statt und dauerte einige Tage (es gab ein unterirdisches Tunnelsystem mit einem weiteren Besetzer). Die Räumung des Tunnels wurde von Kräften aus der Region durchgeführt, obwohl Spezialisten aus GB seitens der BesetzerInnen gefordert worden waren. Trotz dadurch größerer Gefährdung des Besetzers kam es zu keinem Unfall. Eine „Rettung“, wie in der Presse dargestellt, war zu keinem Zeitpunkt erforderlich, da eine eigenständige Befreiung jederzeit möglich gewesen wäre.

Wenige Tage nach der Räumung waren die BesetzerInnen wieder da, jetzt auf einer Wiese direkt südlich des gefährdeten Waldes. Die Wiesenbesetzung wird geduldet vom Besitzer. Ein ausführlicher Teil widmete sich den nun folgenden Repressionen durch Sicherheitskräfte der RWE sowie der Polizei. Die bisher schlimmste Aktion wird geschildert unter, weitere finden leider regelmäßig statt. Ein Gerichtsverfahren zur ersten Räumung wird es nicht geben, die Strafverfahren gegen die BesetzerInnen wurden von der Staatsanwaltschaft Köln nicht zur Verhandlung angenommen. Auch die Kosten der Räumung (in der Presse erst überhöht angesetzt) übernimmt- wie bei jeder Demonstration- die Staatskasse (man hätte sie allerdings auch auf die RWE umlegen können).

Es gab einen Ausblick auf neue Projekte der BesetzerInnen. Es entwickelte sich ein angeregtes Gespräch unter den ca. 30 Anwesenden (teils AktivistInnen aus Hambach, teils Stuttgarter, nicht zuletzt aus unserem Widerstand), da nicht nur das vorgestellte Thema sehr spannend war, sondern sich auch sehr viele Parallelen zeigten (Politikerverhalten, Kriminalisierung, Ausspielen von Bevölkerungsgruppen gegeneinander, Naturzerstörung, Repressionen…) Ende des Monats gibt es im Nachbardorf das Klimacamp (Mobispot) sowie das Camp „Reclaim The Fields„.

Nicht zu vergessen die Pause während des Vortrages, in dem die Gäste durch die mitgereiste Vokü der WiesenbesetzerInnen verköstigt wurden. Es war ein sehr angenehmer Abend mit vielen guten Infos sowie angeregten Gesprächen. Ab Oktober kann- wie auch in Stuttgart- wieder gefällt werden. Eine weitere Vernetzung und gegenseitige Unterstützung der Hambacher und der Stuttgarter wäre im Sinne aller Beteiligten.

Text „Tuennes Schäl“ auf schaeferweltweit.de

Kommentar verfassen