Einschüchterung durch Videoteams und Technik der Polizei

Wie aus einschlägig bundesweit bekannten Gerichtsurteilen (siehe zb. dejure.org und die dort verlinkten Rechtssprechungen zu §12) bekannt ist darf bei Versammlungen in Deutschland keine generelle Videoüberwachung durch die Polizei erfolgen. Auch Urteile welche explizit die Einschüchternde Wirkung dieser Maßnahmen verbieten sind bekannt.

Hier (link) zb. VG Berlin · Urteil vom 5. Juli 2010 · Az. VG 1 K 905.09

Zitat:
1. Das anlasslose Filmen einer Versammlung durch die Polizei verstößt wegen der einschüchternden Wirkung gegen Art. 8 GG.

2. Das anlasslose Filmen wäre auch dann rechtswidrig, wenn keine Aufzeichnung erfolgte und dies für alle Teilnehmer erkennbar wäre.

3. Wegen der heutigen technischen Möglichkeiten (Zoom) muss prinzipiell von der Erkennbarkeit einzelner Teilnehmer, daher von einem Personenbezug der Aufnahmen und somit von einem Grundrechtseingriff ausgegangen werden.

4. Rechtswidrig sind deshalb auch sog. Übersichtsaufnahmen ohne Vorliegen einer konkreten Störung, die der Lenkung der Versammlung dienen sollen. Insbesondere sind diese nicht nach §§ 19a, 12a VersammlG zulässig, allgemeines Polizeirecht ist nicht anwendbar.
Zitatende

Aus diesem Anlass stellte ich an Volker Weinstock, den Einsatzleiter  der Polizeieinsätze wärend der Versammlungen am 20.01.14 und 27.01.14, die Anfrage wieso seine Videoüberwachungsfahrzeuge die Demonstrationen in Stuttgart ständig filmen würden.

Nachdem er „die Sachlage geprüft und seine Beamten befragt habe“ begründet er dies mit folgender Erlärung: Zitat „… Dabei stellte sich heraus, dass tatsächlich die Kamera kurzfristig eingeschaltet war. Hintergrund war allerdings nicht etwa die Notwendigkeit dort Filmaufnahmen zu tätigen, sondern schlicht und einfach eine technische Überprüfung der Anlage. Da das Fahrzeug erst neu beschafft wurde und die darin verwendete Technik ab und zu noch nicht reibungslos funktioniert, entstehen leider noch kleinere Probleme. So auch an dem Tag, als Sie die Fotos fertigten. Aufgrund einer immer wieder angezeigten Störung (Sicherungen) wurde die Funktion der Kamera mehrfach kurzfristig überprüft. Bei diesen Funktionstests wurden aber zum Einen nur Weitwinkeleinstellungen gewählt und zum Anderen definitiv keinerlei Aufzeichnungen gefertigt. …“ Zitatende

Wie also im Vergleich mit dem Urteil (Az. VG 1 K 905.09) oben zu sehen ist verstößt auch diese Verwendung der Technik bereits gegen gängige Urteile da es auch dann rechtswidrig ist wenn keine Aufzeichnungen erfolgen und auch wenn es sich nur um Überichtsaufnahmen handelt! Was ja beides von Herr Weinstock bestätig wurde. Abgesehen davon handelt es sich wahrscheinlich auch um direkte Einschüchterung was ja auch schon im Urteil von Berlin verboten wird. 

Herr Weinstock hingegen meint keine Rechtsverstöße erkennen zu können und verspricht „künftig noch sensibler und umsichtiger mit der von Ihnen bemängelten Situation umgehen“. Was natürlich sehr freundlich von Ihm ist aber auch weiterhin durchaus kritisch zu hinterfragen ist! Bereits in früheren Demonstrationen (hier die 194. Montagsdemo link) war dieses Spezialfahrzeug nämlich schon oft bei Demonstrationen zu sehen. Natürlich wahrscheinlich auch dabei „nur bei Funktionstests“:

Genauso wurden und werden immer und ständig Kamerateams zur (meiner Meinung nach) Einschüchterung verwendet! Zuletzt hier zb. bei der 209. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 auf einer Brücke über der Demonstrationsroute. Beispiele zb. bei der letzten Montagsdemontration:

Leider sind mir bisher keine privaten Anzeigen von gefilmten Demoteilnehmern in Stuttgartbekannt, welche sich gegen dieses Vorgehen (seit Jahren praktiziert) richtet. Ich denke es wäre unabhängig von der persönlichen Einschätzung von Herr Weinstock oder meiner Einschätzung sicherlich interessant ob Gerichte diese Ansicht teilen würden.

(Alexander Schäfer auf schaeferweltweit.de )

12 Gedanken zu „Einschüchterung durch Videoteams und Technik der Polizei“

  1. Da diese Versammlungen ja nun auch durch cams21 u.a. gefilmt und diese Aufnahmen sofort online gestellt werden, kann ich nicht erkennen, inwieweit hier irgendeine Einschüchterung vorliegen könnte.

  2. wäre vielleicht ne tolle Postkarte
    alle Urteile zusammengefasst und ab in die Handtasche, in den Rucksack und an die MW
    hast du Adresse von
    „wir machen flyer-team?“

    ähnlich die Urteile zu Flughafen und Öffentlichen Raum-betreten dürfen!

  3. Danke für diesen wichtigen Beitrag! Mir wurde auch immer versichert, dass man nur bereit sein wolle und man natürlich nicht aufnehme. Aber auch diese Regelung steht und fällt damit, dass man als Versammlung angesehen wird. Morgens vor dem Bauzaun wird immer sofort gefilmt, da die Polizei den Anwesenden abspricht, eine Versammlung zu sein. Keine Versammlung, kein Schutz vor der Willkür der Polizei.

    1. Natürlich – in den Fällen wäre nötig erstmal die Definition als „Spontan-Versammlung“ von einem Gericht bestätigen zu lassen.
      Bei den Montagsdemonstrationen hingegen steht diese Definition ausser Frage. Genauso die Bestätigung der Friedlichkeit. Schon allein durch die Tatsache das die Polizei keine anderslautenden Berichte zu den Demos veröffentlicht hat, bestätigt das es sich nicht um unübersichtliche oder unnormale Versammlungen handelt. Die Lage stellt sich ziemlich eindeutig dar. Auch die Aussage des „Funktionstests“ (über Monate…) ist vor Gericht wahrscheinlich sehr schwer zu halten. Aber leider -> „Wo kein Kläger da kein Richter“

      Bin jedenfalls gespannt wie viel von der Absicht „das in Zukunft besser zu beachten“ in den nächsten Versammlungen übrig bleiben wird.

  4. Bei der letzten Demo zum Innenministerium kam ich im 18.30 h von Cannstatt her, weil ich noch etwas von der Demo mitkriegen wollte. Ich stand dann auf der Brücke und wartete auf den Demozug. Da war ich inmitten von Polizisten, die z.T. auch so kleine Handkameras in den Fingern hatten. Aber ich ging davon aus, dass das erlaubt ist, weil sie ja das Innenministerium vor uns Demonstranten zu schützen hatten. Ich habe noch zu einem Bekannten gesagt: jetzt müssen wir aber aufpassen, was wir hier sagen und machen. Darf ich denn unter solchen Umständen mit der Kamera die Polizisten daraufhin ansprechen? Als harmlose Bürgerin weiß man ja nicht so recht, was man im Zusammensein mit der Polizei darf und was nicht.

    1. Natürlich darf man Polizisten immer ansprechen! Gerade wenn man sich nach deren Arbeit erkundigen möchte. Man sollte ja davon ausgehen das ein Polizist durchaus bereit ist über seine Arbeit zu sprechen (solange er nicht bei der Arbeit gestört wird) Leider habe ich schon sehr oft bemerkt das die Polizisten nicht besonders freundlich sind und die Menschen auch bei normalen fragen nicht besonders nett abfertigen. Wahrscheinlich wird dabei keine Antwort herraus kommen. Das sollte aber nicht daran hindern freunldich nachzufragen.

  5. Vor ein paar Wochen nach der Löwentorspontandemo war abends eine kleine Spontandemo im Hbf an der ich auch teilnahm. Ganz in meiner Nähe waren 3 Polizisten die gefilmt haben. Ich ging daraufhin zu H.Perry und fragte, ob das sein müsse, dass wir unentwegt gefilmt werden. Er sagte mir: Nein, nein, die filmen nicht. Ich ganz ruhig und höflich, dann sehen Sie doch mal 2 Meter nach links. Er nochmal, nein die filmen nicht, sie tun nur so, das dürfen Sie mir glauben. Im selben Moment hat etwas geknallt (vielleicht ein Luftballon oder ein Tetrapack)
    Er schreit mich daraufhin an. Sehen Sie, Sie sind ja auch nicht mehr sehr jung, aber so seid Ihr, und dann Böller werfen. Ich fragte ihn, haben Sie einen Böller gesehen, ich nicht, dann rannte er weg.

    1. Wie in dem angeführten Beispiel zu lesen ist auch das „die tun nur so“ verboten. Diese Aussage zeigt ja direkt das es um bewusste Einschüchterung geht oder was genau ist der Fachbegriff für „die tun nur so“? Vielleicht „Funktionstest“?

Schreibe eine Antwort zu zwuckelmannAntwort abbrechen