Die Räumungsnacht hat weitere juristische Folgen

Am 15.2.2012 begann die endgültige Vernichtung des Mittleren Schlossgartens in Stuttgart. Seitdem ist dieser „Central-Park“ eine Baubrache. Über 2.000 Menschen hatten sich zuvor im Schlossgarten versammelt, um gegen die Vernichtung dieses für ihre Erholung und die Ökologie wichtigen Kulturdenkmals zu protestieren. Sie wurden von der Polizei aus dem Park gedrängt oder abgeführt. Diese Maßnahmen der Polizei waren nach Auffassung der Betroffenen und ihres Rechtsanwaltes ein schwerer Verstoß gegen das Grundgesetz. Deshalb haben nun 32 Menschen eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht.

Bereits das von der Stadt Stuttgart erlassene Aufenthalts- und Betretungsverbot stellte einen umfassenden Eingriff in die Grundrechte von Menschen dar. Deshalb war umgehend das Verwaltungsgericht Stuttgart angerufen worden und hatte eindeutige Auflagen für die Stadt und die Polizei festgesetzt. Diese Regelungen wurden nicht eingehalten.

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Artikel 8 Grundgesetz: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Die Störer trugen Uniform

Als die Polizeitruppen in den Park einmarschierten, waren die Verbote noch nicht in Kraft gesetzt worden. Die Aufforderungen der Polizei, die Menschen sollten den Schlossgarten verlassen, hatten zu der Zeit keine Rechtsgrundlage. Die im Park versammelten Menschen boten durch ihr friedfertiges Verhalten auch keinen Anlass für ein Einschreiten der Polizei. Die Polizei hat damit eine grundrechtlich geschützte Versammlung massiv gestört. Die mit den Auflösungsanordnungen verbundenen und nachfolgenden polizeilichen Maßnahmen waren damit sämtlich rechtswidrig.

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§13 (1) Versammlungsgesetz: Die Polizei kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, [2] wenn die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht.

Die gegen ihren Willen abgeführten und weggetragenen Menschen, vor Gericht als „Störer“ diffamiert, erhielten für ihr angebliches Fehlverhalten Bußgeldbescheide der Stadt Stuttgart. In den Widerspruchsverfahren vor dem Amtsgericht ließ sich klar darstellen, dass die Polizei den Einsatz viel zu früh begonnen hatte, dass die Auflösungsverfügen nicht den Ansprüchen an die Aussetzung des Grundrechts genügen. Das letzte vor dem Amtsgericht geführte Verfahren musste sogar eingestellt werden.

Die Verurteilten wehren sich auch weiterhin, sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit betraf aber alle Menschen, die sich im Park aufgehalten haben. Ihre Rechte wurden durch die Polizei und die Stadt Stuttgart missachtet. Die Versammlung hätte nicht um 2:30 Uhr aufgelöst werden dürfen. Jeder hätte dort bleiben können.

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§21 Versammlungsgesetz: Wer in der Absicht, nichtverbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Recht ist wiederherzustellen

Die nun eingereichte Klage von 32 Menschen ist also stellvertretend für alle erhoben worden, die sich in dieser Nacht von der Polizei bedroht, genötigt oder bedrängt fühlten und deshalb auf ihr Recht verzichtet haben. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit wird auch Folgen haben müssen für die Verurteilungen, die dann rechtlich und moralisch nicht mehr vertretbar wären. Die Verurteilten sind zu rehabilitieren!

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Gewalttätiger Zugriff auf friedlich versammelte Bürger zur Durchsetzung einer Parkvernichtung.

Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, dass die Polizei in Stuttgart sich an die gesetzlichen Mindestanforderungen zum Umgang mit Versammlungen hält. Wenn sie die Wahrung von Grundrechten aus taktischen Gründen missachtet, muss das Konsequenzen haben. Die willkürliche Behandlung von Menschen darf nicht hingenommen werden, nur weil eine Projektförderpflicht angeblich schnelles Durchgreifen erfordert. Dem ist Einhalt zu gebieten – auch für die Zukunft.

Unterstützung durch Spenden

Der “Rechtshilfefonds Kritisches Stuttgart” unterstützt alle Menschen direkt, die bei ihrem friedlichen Protest von polizeilichen oder rechtlichen Maßnahmen betroffen sind. Diese individuelle Hilfsmöglichkeit ist weiterhin erforderlich. Die jetzige Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht soll die zu leistenden einzelnen Unterstützungen durch den Rechtshilfefonds nicht in Mitleidenschaft ziehen. Es wurde daher ein Treuhandkonto der Kläger bei dem vertretenden Rechtsanwalt Leyrer aus Tübingen eingerichtet. Wenn die Feststellungsklage abgeschlossen ist (was durchaus noch dauern wird) und Überschüsse auf dem Konto verbleiben, so werden sie, den vertraglichen Bestimmungen entsprechend, an den Rechtshilfefondsübergeben.

Für den ersten Schritt ist das Konto durch die Betroffenen bereits gefüllt. Solidarische Unterstützung durch kleine Beträge ist jederzeit willkommen.

Sonderkonto Feststellungsklage

Konto: Fortsetzungsfeststellungsklage Parkräumung
Kontonummer. 2363941
BLZ: 64150020 KSK Tübingen

( Jochen Schwarz auf schaeferweltweit.de )

5 Gedanken zu „Die Räumungsnacht hat weitere juristische Folgen“

  1. Danke, Ich und meine Frau sind auch Bertroffene.
    Ich habe mir damals gewünscht, dass Herr Kretschmann als Landesvater kognito in den Park käme, weil er ja neben seinem Amt auch eine freie persöhnliche, bürgerliche Person ist, die nicht den Zwängen des Amtes unterliegt.
    Diesen Wunsch habe ich ihm auch in einem Brief an seine Privatadresse gesandt.
    Ich bekam eine allgemeine, aber keine persöhnliche Antwort.
    Eckard Berlin

    1. Ja, auch ich hätte mir in dieser Nacht ein solches Erscheinen gewünscht, aber es war dem Herrn wohl zu kalt, vor Klein-Nils ging ihm wegen des Koalitionsfriedens der A….. auf Grundeis und der Schneeregen hat sein übriges getan in dieser Nacht. Deswegen schickte Herr Kretschmann seine Vertretung. Und das werden wir alle nie, nie vergessen, hier youtube.com/watch?v=IoO3i4kzK6w

      Und das alles widerrechtlich. Das soll sich die Exekutive einmal vor Augen halten und durchaus auch einmal vom Remonstrationsrecht Gebrauch machen oder in Zukunft daran denken. Aber das bedeutet eben einen sicheren Karriereknick. Und wer will das schon, selbst wenn ihm hinterher die Umstände recht geben sollten.

      Von einer solchen verfassungsmässig und rechtlich korrekt funktionierenden Demokratie, in der die Jurisdiktion wirklich unabhängig urteilt und die Exekutive unabhängig agiert sind wir Sternenwelten weit entfernt. Niemand von uns wird je erleben, dass ein Beamter in einer solchen Situation von seinem Remonstrationsrecht gebraucht macht. Und deswegen werden wir eine korrekt funktionierende Demokratie auch nicht mehr erleben. Keiner von uns. Einschliesslich der Säuglinge.

      Der Mensch war so vor fünftausend Jahren und wird in fünftausend Jahren immer noch so sein. Der Grund, warum die menschlichen Gesellschaften, sofern sie ihre zivilisatorischen Megamaschinen ausgebildet haben, von einer Katastrophe in die nächste taumeln. Immer wieder und immer wieder nichts gelernt. Selbst aus der niedergeschriebenen Geschichte nichts gelernt.

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