Die Hänge sind sicher

Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 8

Flaschen_kleinAm 15.7. beginnt also tatsächlich die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen gegen die Planänderungen zur Grundwassermanipulation. Es wurden weit über 10.000 Einwendungen gegen dieses Vorhaben eingelegt. Ohne die Planänderung können die Baugruben für den Sargbahnhof nicht ausgehoben werden. Derzeit haben wir also faktisch einen Baustopp der zentralen Planabschnitte im Talkessel der Stadt. Weil dieser Erörterungstermin so überaus wichtig ist, werden wir in dieser Rubrik nun täglich kurze Informationen verschiedener Autoren zu der Erörterung anbieten. MOBILISIERT EUCH!

Im breiten Spektrum der Betroffenen spielen Eigentümer eine besondere Rolle – was nicht weiter verwundert, weil Eigentumsrechte in unserer Gesellschaft besonderen Schutz genießen. Für die siebte Planänderung sind zwar keine Enteignungen (bzw. Gestattungen der Rechteinhaber) nötig, wie bei den Tunnelbauwerken, doch gibt es massive indirekte Auswirkungen auf bestehendes Eigentum und dessen Verwertungsmöglichkeiten. Die Bäder und Brunnen sind mittlerweile alle in städtischem Eigentum – von der Seite haben die sonstigen Projektbetreiber also wenig zu befürchten. Bei den Hauseigentümern sieht das aber anders aus.

Hanglagen: ausgelaugt und abgerutscht

Die Bebauung der Stuttgarter Hanglagen wäre ohne Terrassierung und Stützmauern nicht möglich. Diese Baumaßnahmen halten die (immer) in Bewegung befindlichen geologischen Verhältnisse einigermaßen unter Kontrolle. Die häufig auftretenden Rohrbrüche in Stuttgart sind ein wahrnehmbares Zeichen für die Dynamik im Untergrund.

Über einen Zeitraum von, grob geschätzt, zehn Jahren sollen erhebliche Wassermengen in den Untergrund der Hanglagen gepumpt werden, um den Gewichtsverlust des im Tal entnommenen Wassers auszugleichen und die Ausdehnung der Absenkungstrichter zu verkleinern. Ob diese geplante Regulierung überhaupt funktioniert, ist schon fraglich genug.

Die siebte Planänderung verstärkt nun massiv den Eingriff in die Wasserstockwerke und die gipshaltigen Gesteinsformationen. Wo vorher ein, vielleicht, hinnehmbares Risiko bestand, sind nun eine höhere Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und größere Schadwirkungen zu befürchten. Die Anforderungen an mögliche technische Gegenmaßnahmen werden dadurch deutlich höher.

Rauf, runter, weg

Das Einleiten des Wassers in die Hanglagen kann, durch die Quellfähigkeit der Gipsschichten, zu unkalkulierbaren Hebungen führen, die nicht zu stoppen sind. Rissbildungen in Bauwerken, bis hin zum Einsturz, sind denkbar.

Es ist aber auch mit unterirdischen Ausspülungen zu rechnen, also der Bildung von Hohlräumen. Diese könnten sich bis an die Oberfläche auswirken, und dort zu Setzungen führen. Dem würde man mit dem Einspritzen von Beton zu begegnen versuchen. Daraus könnte sich aber ein unendlicher Versuch ergeben, weil die entstanden Hohlräume auch den Fluss des im Hang anstehenden Wassers verändern, sich also weitere Senkungen an anderer, und nicht vorhersehbarer Stelle ergeben.

Eine dritte Gefährdung stellt das Abrutschen ganzer Hangpartien dar. Eine steile Lagerung der Gesteinsschichten, in Verbindung mit Wasser an den Grenzschichten und vorkommenden Tonmineralien kann zu einem solchen Großschaden werden. Beispiele für Hangrutschungen gibt es in Stuttgart genug. Auch im Kernerviertel sind solche Konstellationen vorhanden. Das Einleiten von zusätzlichem Wasser erhöht das natürlich bestehende Risiko erheblich.

Alle drei Schadszenarien können mit erheblichem zeitlichen Verzug eintreten. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Einleitung der Wassermassen wird nicht immer offensichtlich sein. Die Bahn wird später immer sagen, dass Schäden auf natürliche Prozesse zurückzuführen seien.

Deshalb fordern die Stadt und die Hauseigentümer seit Jahren von der Bahn ein unabhängiges geotechnisches Gutachten. Darin muss explizit das Eintreten eines solchen, katastrophalen, Schadverlaufs ausgeschlossen werden. Bis heute hat die Bahn ein solches, qualifiziertes und aussagekräftiges Gutachten nicht vorgelegt. Schon deshalb dürfte eine Erörterung der Planänderung gar nicht stattfinden.

Eure Häuser, sind auch unsere Häuser

Das fehlende Gutachten gehört zu den klassischen „Verfahrensrechtlichen Fragen“, die gleich am ersten Tag erörtert werden sollen – die Einwände der Hauseigentümer sollen aber erst am dritten Tag erörtert werden, wenn dieser Tagesordnungspunkt bereits abgeschlossen wurde … ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Es geht also nicht nur, wie man zunächst beim Thema Hausbesitzer vermuten könnte, um einen möglichen Wertverlust gehobener Wohnlageklassen. Die das Stadtbild prägenden Hanglagen Stuttgarts und die Sicherheit der Einwohner stehen auf dem Spiel. Die „Hanglagen sind sicher“ – der Aussage kann man zustimmen, denn Hänge wird es auch hinterher noch geben. Ob dann da noch bewohnbare Häuser stehen, und mit welchem Aufwand, von wem zu bezahlen, dazu braucht es gerichtsfeste Aussagen.

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Wir freuen uns über angeregte Diskussionen und Kommentare, hier und im Parkschützer-Forum. Wir bemühen uns, alles zu lesen, und offene Fragen in dieser Artikel-Serie zu behandeln. Wir freuen uns auch, wenn sich weitere Autoren mit eigenen Beiträgen beteiligen möchten oder Hinweistexte für die weitere redaktionelle Bearbeitung geben.

Hintergrundinformationen zum Grundwassermanagement und zur Planänderung finden sich u.a. in diesen Artikeln und Seiten:

Artikel sww, Ausgetrocknet vor dem ersten Pumpversuch
Artikel sww, Bewohner des Kernerviertels fordern umfassende Risikenaufklärung
Artikel sww, Grundwasserthema bleibt ein großes Problem
Artikel geologie21, Stellungnahme des Landesamtes für Geologie
Internetauftritt, Klage von Rechtsanwalt Arne Maier gegen das Planänderungsverfahren

Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie

Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?
Teil 3 – Wasser geht uns alle an!
Teil 4 – Ordnung für 3 Tage – die Tagesordnung
Teil 5 – „Ich will das wissen …“
Teil 6 – Stuttgarter Untergrund
Teil 7 – Bad Cannstatt – Bad Berg – Bad Nepp