Der Boden, auf dem wir stehen

Petermanns Flaschenpost – Erörterungstermin 7. Planänderung – Teil 9

Flaschen_kleinAm 15.7. beginnt also tatsächlich die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen gegen die Planänderungen zur Grundwassermanipulation. Es wurden weit über 10.000 Einwendungen gegen dieses Vorhaben eingelegt. Ohne die Planänderung können die Baugruben für den Sargbahnhof nicht ausgehoben werden. Derzeit haben wir also faktisch einen Baustopp der zentralen Planabschnitte im Talkessel der Stadt. Weil dieser Erörterungstermin so überaus wichtig ist, werden wir in dieser Rubrik nun täglich kurze Informationen verschiedener Autoren zu der Erörterung anbieten. MOBILISIERT EUCH!

Boden und Wasser sind die notwendige Verbindung für das Wachstum von Pflanzen, sie sind als Baugrund maßgeblich für die Stabilität von Bauwerken. Das Bild einer Stadt oder einer Landschaft erfährt durch Boden und Wasser seine natürliche Ausprägung. Der Lebensraum für Tiere und Menschen ist, trotz aller technischen Veränderungen und Eingriffe, von Boden und Wasser geprägt.

Das Quartär – Flickenteppich mit Geschichte …

Das geologische Zeitalter des Quartärs umfasst die vergangenen 2 Millionen Jahre. Es ist durch dauernde Verlagerungen und Vermischungen von Gesteins- und Pflanzenmaterial geprägt. Dazu kommen klimatische Ereignisse, wie Eiszeiten mit ihren Gletschern und Moränen, die aus dieser obersten geologischen Schicht einen Flickenteppich machen. Anschwellende, versiegende, mäandrierende Flussläufe schneiden Täler in die geologischen Formationen, hinterlassen Schotter- und Kiesterrassen oder Moore und Sümpfe.

Deshalb wird in geologischen Darstellungen, Karten und Profilen, das Quartär nicht gesondert dargestellt und aufgeschlüsselt. Dazu sind detaillierte Analysen erforderlich, häufig zur Bestimmung von Bauwerksgründungen. Auf Torfschichten oder Fließsand kann man eben schlecht bauen. Auch in wasserhaltigen Kiesterrassen lauern Gefahren, die tödliche Folgen haben können (Einsturz des Stadtarchivs Köln).

Das Quartär besteht aus relativ lockerem Material, und bildet somit das oberste Grundwasserstockwerk. Das Wasser stammt sowohl aus Niederschlägen und der Versickerung, als auch aus dem Aufstieg aus tiefer gelegenen Grundwasserstockwerken.

Im Nesenbachtal, in dem der Bahnhofstrog gebaut, und deshalb das Grundwasser abgepumpt werden soll, hat man sich zu einer aufwändigen Pfahlgründung (die ja immer noch nicht ausreichte) entschlossen. Es wurde offenbar, dass man z.B. ausgedehnte Torfinseln im Nesenbachtal gar nicht kannte, weshalb im August 2012 die elfte Planänderung beantragt werden musste. Die fand jedoch, mit diesen neuen Erkenntnissen, ohne Bürgerbeteiligung statt. Darauf basiert auch die Klage von Rechtsanwalt Arne Maier, dass nämlich Verfahren, mit für die siebte Planänderung wesentlichen Kenntnissen zur Beurteilung der vorhandenen Wasserverhältnisse, ausgegliedert werden. Durch dieses Vorgehen werden große Eingriffe in kleine Teile aufgesplittert, und die Gesamtwirkungen eines Eingriffs auf die Umwelt bleiben unerkannt.

… die Lücke in den Unterlagen

Detaillierte Angaben zum quartären Untergrund und den Bodenschichten findet man in den Antragsunterlagen kaum. Dabei sind sie eminent wichtig, um Aussagen treffen zu können, in welcher Intensität sich das Abpumpen des obersten Grundwassers zeitlich und räumlich auf die Vegetationsschichten auswirkt, auf Gebäude und Straßen, z.B. den auf Holzpfählen ruhenden Hauptbahnhof.

Die oberste Schicht des Quartär ist die Bodenschicht. Sie kann aus natürlichen Verwitterungsprozessen entstanden sein, aus Flussablagerungen, aus abgerutschtem Hangmaterial, oder durch Aufschüttungen von Menschenhand. Solche Aufschüttungen von relevanter Masse findet man häufig in Tälern und ehemaligen Sumpfzonen.

Das oberste Grundwasserstockwerk versorgt die Bodenschicht über kapillaren Aufstieg mit Wasser. Ob die Kapillarkräfte wirken, und in welcher Stärke, kann nur durch kleinräumige Untersuchungen des Bodens festgestellt werden. In den Antragsunterlagen sind nur knappe, und sehr allgemein gehaltene, Aussagen dazu vorhanden. Sie sind nicht geeignet, zuverlässige Einschätzungen zu treffen. Die Wasserversorgung der oberen Bodenschicht ist abhängig davon, ob sandige, tonige oder torfige Verhältnisse im Untergrund anstehen. Entsprechend werden die Schwankungen (Abfluss, Nachfluss, Anstieg) verlaufen, die durch die Manipulation des Grundwassers ausgelöst werden.

Schleichende Stadtbildveränderung?

Das massive Abpumpen des Grundwassers entzieht dem Boden unter unseren Füßen einen stabilisierenden Anteil. Diese, über Jahrtausende gewachsene, Stabilität wird in eine unnatürliche Kreislaufbewegung versetzt. Das kann unseren gesamten Lebens- und Erholungsraum gefährden und massive Folgekosten zur Schadbeseitigung auslösen.

Vergessen wir nicht: Boden ist ein Schutzgut der Natur, wie Wasser, Pflanzen und Tiere. Mehrere Hunderttausend Kubikmeter Boden sollen aus dem Mittleren Schlossgarten ausgegraben und weggefahren werden. Das geht nur, wenn man Trockenheit herstellt.

In eigener Sache:

Wir freuen uns über angeregte Diskussionen und Kommentare, hier und im Parkschützer-Forum. Wir bemühen uns, alles zu lesen, und offene Fragen in dieser Artikel-Serie zu behandeln. Wir freuen uns auch, wenn sich weitere Autoren mit eigenen Beiträgen beteiligen möchten oder Hinweistexte für die weitere redaktionelle Bearbeitung geben.

Hintergrundinformationen zum Grundwassermanagement und zur Planänderung finden sich u.a. in diesen Artikeln und Seiten:

Artikel sww, Ausgetrocknet vor dem ersten Pumpversuch
Artikel sww, Bewohner des Kernerviertels fordern umfassende Risikenaufklärung
Artikel sww, Grundwasserthema bleibt ein großes Problem
Artikel geologie21, Stellungnahme des Landesamtes für Geologie
Internetauftritt, Klage von Rechtsanwalt Arne Maier gegen das Planänderungsverfahren

Petermanns Flaschenpost – Artikel der Serie

Teil 1 – Jetzt nicht nachlassen!
Teil 2 – Zum Zuschauer degradiert?
Teil 3 – Wasser geht uns alle an!
Teil 4 – Ordnung für 3 Tage – die Tagesordnung
Teil 5 – „Ich will das wissen …“
Teil 6 – Stuttgarter Untergrund
Teil 7 – Bad Cannstatt – Bad Berg – Bad Nepp
Teil 8 – Die Hänge sind sicher