Aus den Augen, aus dem Sinn?

Wegstellbäume verabschieden sich, Teil 1

Vor fünf Jahren wurde der Mittlere Schlossgarten zerstört. Einige wenige Bäume wurden im Stuttgarter Stadtgebiet verpflanzt. Dabei stand es nicht im Vordergrund, ihre stadtökologischen Funktionen zu erhalten, oder ihren ästhetischen Wert zu bewahren, oder gar neue, qualitativ hochwertige Orte der Erholung und Beschaulichkeit zu schaffen. Es ging einzig darum, eine möglichst hohe Zahl an Verpflanzungen mitzuteilen, völlig egal, wie das Ergebnis dann ausschaut. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Parkbäume zu Straßenbegleitgrün degradiert, also der Art von Stadtmöblierung, die man jederzeit wieder aus dem Weg fällt, wenn ein vermeintlicher Fortschritt daher kommt.

Es wäre ja durchaus möglich gewesen, mit 80 großen Bäumen einen erholsamen kleinen Park anzulegen, mit auffällig blühenden Kastanien und Trompetenbäumen, immergrünen Eiben, rotlaubigen Ahorn, Säuleneichen, schattenspendenden Platanen, begleitenden Hainbuchen und Birken. Aber für so etwas ist in ganz Stuttgart offenbar kein Platz – brächte ja auch kein Geld, würde im Gegenteil nur vermarktbaren öffentlichen Raum entwerten. Da wurde lieber eine millionenteure Show abgezogen, um die Bäume irgendwo hinzustellen – Wegstellbäume. An keinem einzigen Ort hat man ein Gefühl der Freude, dass dort nun dieser oder jener Baum steht – und so wird auch nicht ein Verlust spürbar werden, wenn ein dort hin gestopfter Baum wieder verschwunden ist.

Der an die Talstraße gepflanzte Spitzahorn (415) erfüllt sicher keine gestalterische Funktion. Typisches Straßenbegleitgrün – das eben auch entfallen kann. Sicher hat er noch einen ökologischen Wert in der Schmutzhauptstadt. Aber sein Verlust würde sicher nicht bemerkt werden.

Die daneben gepflanzte Hainbuche (232) zeigte bereits 2015 erhebliche Schäden (im Hintergrund der Spitzahorn). Inzwischen wurde der abgestorbene Baum vollständig beseitigt. Er fehlt nicht in der Wahrnehmung an diesem Ort – und es wird auch kein Ersatz gepflanzt, weil etwa an dieser Stelle ein Baum als erforderlich betrachtet werden würde.

Gras wächst ja noch in Schuttgart ….

… von der Hainbuche verbleiben noch ein paar Kerben im Mähmesser.

Fünf Jahre Beobachtung

Nach fünf Jahren kann man eine erste Bilanz ziehen, ob diese unnötigen Verpflanzungen, wenn schon nicht ästhetisch, dann wenigstens fachlich erfolgreich waren, oder ob wenigstens Hoffnung besteht, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Dazu muss man zuerst ein Ziel vor Augen haben, was denn eigentlich erwartbar wäre. Dass da ein paar grüne Blätter aus einem Stück Holz austreiben, ist noch lange nicht das Anzeichen, dass eine Verpflanzung erfolgreich war – auch wenn von den Organisatoren und Helfern des Frevels genau dieser Eindruck vermittelt wird.

Wer also 2013, als dieses Bild der Hainbuche entstand, den Erfolg der ganzen Showveranstaltung verkündete, wird nun von der harten (absehbaren) Realität eingeholt.

Eine Gewährleistung für das Anwachsen verpflanzter Bäume endet in der Regel nach drei Jahren. Dann sollte der verpflanzte Baum ohne zusätzliche regelmäßige Bewässerung und ohne Stützgerüste auskommen. Der Baum sollte also mit seinen Wurzeln so im Boden verankert sein, dass er sich selbst mit ausreichend Wasser und Nährstoffen versorgen kann, dass er nicht durch Wind ständig im Wurzelbereich gelockert bzw ausgerissen wird. Der Baum sollte also einen kräftigen Austrieb im Frühjahr zeigen und einen Zuwachs im Laufe des Jahres erreichen. Die Blätter sollten eine artgemäße Größe und Färbung aufweisen. Die Belaubung sollte ohne Welkeerscheinungen bis zum Herbst halten.

Die Bilanz ist eindeutig negativ

Nach diesen Kriterien haben wir die Bäume in den letzten Jahren immer wieder aufgesucht, beurteilt und fotografisch dokumentiert. Als wir mit diesen Beobachtungen, bereits bei den Bäumen vom Parkplatz des Nordflügels, begonnen haben, wurden durch diese Beobachtungen immerhin einige gravierende Mängel korrigiert. Leider nicht überall, und leider häufig nur oberflächlich in Art einer Dekoration.

Auch diese Hainbuche (355) an der Steinhaldenstraße sah 2013 noch recht gut aus.

Aber 2015 erkennt man bereits, dass der Baum deutlich geschwächt ist.

Und in 2017 ist im Vergleich zum Vorjahr kein Zuwachs ersichtlich. Die Hainbuche hält sich gerade noch so am Leben – ob sie überleben wird, ist ungewiss.

Der im Hintergrund der obigen Bilder zu erkennende Spitzahorn (364) zeigt hingegen eine arttypische Belaubung. Er wurde sehr stark zurückgeschnitten. Er gehört zu den ganz wenigen Exemplaren, die sich sichtbar positiv entwickelt haben.

Den definierten erwartbaren Zustand haben bisher nur die wenigsten Bäume erreicht, auch wenn nun sogar schon fünf Jahre vergangen sind. Die meisten Bäume verharren in einem wachstumslosen Zustand mit schütterer Belaubung, zu kleinen Blättern, die meist schon im Sommer beginnen zu verwelken. Auch Frost, Pilzbefall und Insekten setzen diesen Bäumen besonders hart zu, weil sie die dadurch verursachte Beeinträchtigung nicht durch Wachstum ausgleichen können. Sie stehen in ihren Löchern wie in einem viel zu kleinen Blumentopf. Fünf Bäume sind in den letzten zwei Jahren abgestorben und mittlerweile beseitigt worden. Bei mindestens zwei weiteren steht dieser Ablauf bevor.

Dieser Bergahorn (374) dürfte es bald hinter sich haben.

Grünes Alibi

Festzuhalten ist, dass die Ballengrößen mit 2,50 und 3 Meter Durchmesser, für die meisten dieser Bäume viel zu klein waren, und dass das Ausstechen daher zu großen Wurzelschäden führte. Ebenso wurden die Pflanzgruben in exakt den gleichen Durchmessern ausgestochen und die Bäume da hinein gestopft, anstatt die Pflanzgruben aufzulockern, größer zu gestalten und mit gutem Boden aufzubessern. Die Baumkronen hätten stark zurückgeschnitten werden müssen, weil die Bäume mit den wenigen Wurzeln gar nicht mehr die Möglichkeit hatten, ihre großen Kronen mit Wasser zu versorgen. Gestutzte Kronen hätten weniger Windwiderstand geboten und eine bessere und verträglichere Verankerung ermöglicht.

Diese Maßnahmen hätte man zudem bereits vor dem eigentlichen Verpflanzen vorbereitend durchführen müssen, wenn man ein möglichst gutes Ergebnis erzielen will. Das wäre nicht teurer gewesen. Und es war auch kein Mangel an Zeit, denn jahrelang lag der gerodete Schlossgarten anschließend als Baubrache da. Der 15.2.2012 war eine politisch motivierte, skrupellose Machtdemonstration – und das Verpflanzen die zugehörige grüne Alibibeschaffung.

Wir werden also weiter die Wegstellbäume begleiten. Und wir werden uns nicht auf eine endgültige Beurteilung des Maßnahmeerfolges einlassen. Wir können nur den Zustand beschreiben, wie er sich uns darbietet – und dieser ist deutlich schlechter, als man es von Verpflanzungen durch Fachfirmen mit Millionenaufwand erwarten darf. Für das Geld hätte man mit Großbäumen aus einer Baumschule mehr erreicht.

UNSEREN Widerstandsbäumen (Hainbuche und Spitzahorn) hingegen geht es gut. Man erkennt deutlich den Unterschied in Zuwachs und Zustand der Belaubung gegenüber den anderen Bäumen.

Wann und ob sich ein derartiges Bild bei den anderen Parkbäumen einmal einstellen wird, ist weiterhin nicht vorhersehbar.

In einem weiteren Titel werde ich demnächst noch detailliert auf sichtbare Schäden und die naheliegenden Ursachen eingehen. Das alles ist dann auf der Internetseite der Baumpaten zu finden. Dort können dann wie gewohnt alle Bilder in einem Archiv in ihrer zeitlichen Abfolge betrachtet werden.

Jochen Schwarz
AK Baumpaten

– Siehe auch Teil 2 –