Artenschutz als Naturdumping 21 – ein neuer Zaun für die Wilhelma
In Naturschutzorganisationen kursiert derzeit ein Maßnahmekonzept „Pflanzung, Entwicklung und dauerhafte Sicherung von Habitatbäumen im Rosensteinpark“. Es basiert auf einer Festsetzung im Beschluss zur 5. Planänderung vom 23.10.2012. Auf sechs Seiten wird dargelegt, was, aus welchen Gründen, wo passieren soll. Man kann sich für den Naturschutz ja viele wichtige Maßnahmen im Rosensteinpark vorstellen – das jedoch, was hier geplant wurde, soll die illegale Fällung der Platane am Biergarten vom 1.10.2010 ausgleichen. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
Über die illegale Fällung hat der AK Baumpaten bereits häufig berichtet. Die Platane stand außerhalb der Gestattungsfläche und einen Tag zuvor waren sämtliche Baumfällarbeiten vom EBA verboten worden, Explizit genannt wurde in den Gesprächen zu dem Fällverbot auch die betreffende Platane, weil sie von Juchtenkäfern besiedelt war. Der eklatante Verstoß gegen gültiges Recht ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt und noch lange nicht geahndet.
Das Naturschutzgesetz schreibt die Vermeidung von Eingriffen in die Natur vor. Erst nach Prüfung und Feststellung einer Unvermeidbarkeit kann es zu Ausgleichsmaßnahmen kommen. In §15(2) BNatSchG heißt es „Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind […]“. Sollte das nicht möglich sein, so sind Ersatzmaßnahmen vorzunehmen. „Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind […]“.
Nun liest man im Maßnahmebogen zur geplanten Kompensation, der Eingriff sei damit ausgeglichen. Diese Bewertung ist falsch.
Es sollen an den Pumpsee im Rosensteinpark zwei Bäume verpflanzt werden. Eine Ulme und eine Eiche – die dem Kreuzungsbauwerk für S21 in der Ehmannstraße im Weg stehen. Die Autorin der Maßnahmeplanung aus Leipzig beruft sich dabei auf eine „Methode Opitz“ zur Verpflanzung von Großbäumen, die zu 100% funktionieren soll. Das wurde uns ja im letzten Jahr anschaulich gemacht, von der Firma Opitz und anderen.
Die Autorin beschreibt die zu verpflanzenden Bäume aber schon geringfügig falsch. Nicht nur, dass es sich bei dem einen Baum nicht um eine Ulme, sondern um eine Traubeneiche handelt. Nein, mit 27 bzw. 30 cm Stammdurchmesser seien die beiden Exemplare auch zur Verpflanzung geeignet. Nachgemessen haben wir bei beiden Bäumen in 1 Meter Höhe 36 cm Durchmesser.
Die beiden ausgerupften Bäume sollen sodann an den Pumpsee gestopft werden. Wer erinnert sich noch an den jammernden Ökologen in der Expertenrunde zur Verpflanzung der Bäume des Mittleren Schlossgartens, wie er es für ausgeschlossen hielt, mit Pflanzmaschinen über die kostbaren Mähwiesen des Rosensteinparks zu fahren, so als wären es seine eigenen Füße? Jetzt ist alles anders – ist ja eh bald nichts mehr übrig.
Dafür entsteht am Pumpsee wahre Natur. Die beiden Bäume sollen dort künftig Juchtenkäfern zur Besiedelung dienen – irgendwann mal. Da wird „stenökes“ Verhalten der Käferart angeführt und auf deren „Faunentradition“ verwiesen. Wenn dem so wäre, widerspricht die promovierte Frau sich damit doch selbst. Traditionell scheinen die Juchtenkäfer in den Stuttgarter Schlossanlagen an Platanen gebunden zu sein. In den Bäumen am Pumpsee sind sie überhaupt nicht nachgewiesen, Platanen stehen dort auch nicht. Und da die Maßnahme ja als „Ausgleich“ eingestuft wird, müsste sie also den geschädigten Tieren zu Gute kommen, die im MSG ihren Lebensraum verloren haben. Nach Ansicht des Biologen Wurst legen die Käfer ja nur 80 Meter im Jahr zurück … bis zum Pumpsee werden sie es also in ca. 35 Jahren geschafft haben. Bis dahin stehen dort bestimmt zwei stattliche Opitz-Eichen.
Es könnte aber noch, ganz im Sinne des Artenschutzes zu einer weiteren tollen Maßnahme kommen. Mit einem Forschungsprojekt, an dem sich wieder jemand viel Geld für Planung und Überwachung und Pflege verdient, wird eine von Juchtenkäfern besiedelte Platane an der Ehmannstraße, auch noch im Rosensteinpark wachsend, im Herbst gefällt. Und die besiedelten Stammstücke wird man dann im Rosensteinpark zu einem hübschen Naturparadies aufschichten. Wenn das mal nicht am Pumpsee sein wird …
Immerhin bekommt die Wilhelma dafür am Pumpsee noch von der Bahn einen neuen, 1,8 Meter hohen Zaun spendiert, der auf einer Länge von 31 Metern mit einheimischen Sträuchern eingegrünt wird. So ein Zaun ist in Stuttgart immer eine feine Sache, denn man hat inzwischen gelernt wie schädlich der menschliche Einfluss auf die Natur sein kann.
Dipl.-Ing. Jochen Schwarz – auf schaeferweltweit.de
0 Gedanken zu „Artenschutz als Naturdumping 21“