202. Montagsdemo für die Versammlungsfreiheit

202. Montagsdemo
202. Montagsdemo

Mit einer kraftvollen, selbstbewussten Demonstration gehen am 16.12.13 tausende Bürger in Stuttgart auf die Straße. Sie zeigen damit klar, was ihnen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wert ist. Obwohl ihnen ihr gewünschter Demoort verwehrt wurde da durch das Urteil des Verwaltungsgerichtes und den Sicherheitsauflagen keine andere Wahl blieb, entschieden sich die Bürger anders. Sie gingen vor dem Stuttgarter Kopfbahnhof auf den Arnulf-Klett-Platz, den Ort, an dem sie ihre Demonstration angemeldet hatten.

202. Montagsdemo - Frontbanner in Schillerstraße
202. Montagsdemo – Frontbanner in der Schillerstraße / Arnulf-Klett-Platz

Danach wählten die Demonstranten die Friedrichstraße / Theodor-Heuss-Straße als ihre Demoroute. Damit stellt sich automatisch die Frage, ob es nicht eventuell doch sinnvoller gewesen wäre, wenn man den Menschen ihr Recht auf Versammlung gelassen hätte; wozu auch die freie Wahl des Ortes gehört. Dort steht nichts davon, dass eine Summe X von Parteien oder Menschen den Demonstrationszweck gut finden muss. Es steht dort auch nichts davon, dass sich Demos nicht auf Öffentlichen Plätzen (welche in Stuttgart in dem Fall auch von Fahrzeugen befahren werden) versammeln dürfen. Auch steht dort nichts davon, dass man nur Ladenbesitzer X (z.B. am Kronprinzenplatz) stören darf und Laden Y (z.B. am Anulf-Klett-Platz) aber geschont werden muss. Als die Demonstration dann auf Höhe der Kienestraße von einer ziemlich lockeren Polizeikette umgeleitet wurde, zeigte sich trotzdem wieder die Gutmütigkeit der Stuttgarter. Sie respektierten diese sehr improvisierte Polizeikette sofort und bogen ab. (Wären sie nur halb so gewaltbereit, wie mancher ihnen andichtet, wäre das sicher anders gelaufen.) Am Versammlungsort angekommen, wurden auf einer improvisierten Bühne, mit einer für diese Menge Menschen viel zu schwachen Lautsprecheranlage, Reden geschwungen. Teilweise wurde hier wieder wie an der 201. Montagsdemo unverständlicherweise auf den Gemeinderatswahlkampf abgezielt, auch bei der Kritik zum Versammlungsrecht wurde nur Herr Schairer (CDU) genannt, aber natürlich wieder nicht darauf eingegangen, dass neben dem Ordnungsbürgermeister auch noch ein zuständiger Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) verantwortlich ist. Er ist nicht zuletzt auch für die Wahrung der Grundrechte in seinem Stadtgebiet zuständig. Es ist mir daher mehr als unverständlich, dass Herr Kuhn hier nicht Teil der Rede wurde.

Joe Bauer stimmte überraschenderweise auch mit in diese Wahlkampfvorbereitungen ein, als er die Frage des Demoortes relativierte und die Nähe zum Rathaus vorteilhaft ausmalte. Wenigstens ging er aber noch umfangreich auf das Versammlungrecht ein. Hier zeigt sich für mich auch die komische Logik des Herrn Schairer und des ihm zustimmmenden VGH. Wie man in den Bildern sieht, staut sich der Verkehr in Stuttgart auch vor einer Demo enorm – der Einfluss auf den Verkehr ist in der baustellengeplagten Innenstadt nur noch marginal. Die andere Begründung, dass man die Menschen nicht beim Shopping stören dürfe, lässt sich ebenso schlecht verstehen. Ich habe mir die Zeit genommen und während der Demo auf dem zugewiesenen Ersatzplatz die Menschenströme dokumentiert. In den Bildern sieht man die Langzeitbelichtungen der Menschen, die sich durch die Demo drücken müssen. Am HBF gibt es solche enormen Einschränkungen nicht – abgesehen davon, dass dies sowieso nicht wichtig ist den Bezüglich des Versammlungsrechts erschließt sich mir nicht warum ein Stören des Personenflusses hier „gut“ ist und am Arnulf-Klett-Platz „schlecht“ sein kann. Ebenso schaute ich mir die Läden und Geschäfte an diesem Platz an und befragte einen Ladenbesitzer, der in seiner Tür stand und zur Demo schaute. Er besitzt ein Restaurant am Platz und sagte, dass er um diese Zeit immer schon fast voll wäre. Heute war sein Laden aber komplett leer! Warum also sollte ein Laden an diesem Platz weniger wert sein als ein Laden am Anulf-Klett-Platz?


Zu allen Bildern in meinem Archiv

Nach der Kundgebung entschlossen sich viele Bürger noch zu mehreren Demozügen durch die Stadt – in alle Richtungen zogen sie los um ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gehör zu verschaffen. Einer der Demozüge lief über die Königstraße und durch den kompletten Weihnachtsmarkt, bis zum Kopfbahnhof. Andere Demozüge gingen in andere Richtungen quer durch die Innenstadt. Eventuell sollte sich Herr Schairer doch überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre die Menschen ihre Versammlungsorte wie im Grundgesetz vorgesehen, selbst wählen zu lassen.

Ein Video über einen Teil des Abends von „Michael Kultur“ (LINK)

img_4702( Alexander Schäfer auf schaeferweltweit.de )

17.12.13 / 16:57
Richtigstellung
– Aufgrund einer missverständlichen Formulierung stelle ich hiermit richtig, dass es keineswegs so war das „die Demonstrationsleitung einem Ausweichen auf die Lautenschlagerstraße ohne Rednerbühne zustimmte“
sondern vielmehr ist zutreffend: „die Demoleitung wurde durch das Urteil des VGH sowie die Sicherheitsauflagen dazu gezwungen diese Entscheidungen zu treffen“.

0 Gedanken zu „202. Montagsdemo für die Versammlungsfreiheit“

  1. Ich konnte gestern leider nicht dabei sein, aber ich bin glücklich heute, mich gut vertreten fühlen zu können. Das schien mir doch eine angemessene und weítgehend durch Konsens zu Fuß erfolgte Abstimmung gewesen zu sein. Ich bin Stolz auf euch alle !

  2. Ich fand das großartig, wieviele Menschen gekommen sind. Den Marktplatz als Versammlungsort mit Politik und Kommunalwahlen gleichzusetzen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde beide Orte attraktiv. Wir müssen aufpassen, das wir uns nicht in dieser Frage spalten! Unsere Gegenspieler, egal wer, hat großes Interesse die Bewegung zu spalten. Da müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht in ideologischen Kämpflen verrennen. Kann durchaus vorkommen, verschiedener Meinung zu sein. Aber bitte, was vergibt man sich, wenn man die des anderen akzeptiert. Schließlich gehen wir für Meinungsfreiheit auf die Straße 😉 und natürlich für einen schönen Kopfbahnhof, dessen Zeit noch lange währt…

    1. Hör dir die beiden Reden nochmal an, da geht es nur darum das dieser Ort vor dem Rathaus wegen der Wahl gut wäre. Ist halt so – du mußt nur hinhören. Warum sie das machen kann ich auch nicht nachvollziehen da sind wir einer Meinung.

  3. ja, ich fand auch die Einseitigkeit gegen CDU und Schairer zu blöd
    es sind die Gerichte, die uns in Stuttgart das Leben schwer machen
    es sind die Politiker insgesamt ob FDP, SPD, oder Grünen (oder auch Linke die auch Marktplatz ver-öffentlichen) die sich merkwürdig un-demokratische verhalten
    und die SÖS? mit Stocker und Gangolf?
    es sind die Zeitungen, die uns das Leben schwer machen (und ich soll denen mehr Geld gönnen?)

    also DemoOrga-Team
    gut reagiert…… wir brauchen keine Bühne, lesen kann ich auch zu Hause, wir brauchen
    SOZIALE BEWEGUNG!!!
    nur dann wieder zu einseitig und zu kurzsichtig agiert (schaut und denkt doch mal ein bisschen weiter als nur zu Eurem Eintopf!)

  4. Der Versuch, die Versammlungsfreiheit durch Schikane einzuschränken, war ein Eigentor! Jetzt erlebt der Protest gegen dieses unsinnige und nicht nur hirn-rissige Projekt, kurz vor den Kommunalwahlen, eine erfrischende Auferstehung!
    Mögen die GRÜNEN in der Koalition jetzt endlich aufwachen…sonst werden sie nicht OBEN BLEIBEN…!

    1. Man sollte sich schon Gedanken dazu machen, zu welcher Mannschaft der Eigentorschütze gehört bzw. welche Mitspieler er hat.
      Als die MoDemo wieder vor den Bahnhof gelegt wurde, hieß es auch gleich, das sei vorübergehend, man wolle sehen, und auch die Lautenschlagerstraße nutzen. Das war einmalig und gründlich schief gegangen.
      Frau Seitz, mit der Doppelposition Grüne/AB ließ neulich verlauten, man arbeite schon lange an der Rückverlegung zum Marktplatz. Und so mancher gerngehörte, einflussreiche Redner (Lösch, Bauer …) bringt den Demoort Marktplatz unterschwellig auch immer wieder an.
      Es könnte durchaus Taktik gewesen sein, den Schairer als Buhmann in die Spitze zu stellen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das Eigentor jedenfalls trifft eine ganze! Mannschaft, die nun ein Problem hat … der Plan ist nicht aufgegangen, man kann gar nicht anders, als auf das Versammlungsrecht zu pochen – und betreibt trotzdem wohlfeil Wahlkampf.
      Die Antworten gibt’s auf dem Platz – das Spiel hat 90 Minuten – nach dem Spiel, ist vor dem Spiel … diese einfachen Weisheiten kann man auch auf die Montagsdemos anwenden.
      Die Montagsdemos sind vielen ein Dorn im Auge, schon lange – sie haben diesmal einfach die dümmlichsten Argumente hervorgekramt. Die beabsichtigten, massiven Bauarbeiten im nächsten Jahr werden den PolitikerInnen unangenehmste Positionierungen abverlangen … da hätte man den Protest vorher gerne kleingekocht.
      Der Platz vor dem Hauptbahnhof ist extrem wichtig – wegen der Symbolkraft UND als verlässlicher Veranstaltungsort. Das sollte man in keinem Fall freiwillig aufgeben!

      1. Sehe ich in der Tat solangsam auch so. Bisher dachte ich es wäre erstmal wichtig das die „Oberen“ mal anständig die „Basis“ befragen. Wenn sie das endlich gelernt hätten wäre der Ort egal … dachte ich… ABER so wie sich das entwickelt wird der AKP zu einem Zeichen der emanzipation von den Ketten die man sich selbst über die Jahre auferlegt hat.

        Zumindest scheint mir die Richtung so zu sein. Viele haben keinerlei Verständnis mehr sich noch einmal blind ins Politische Spiel mit hinein ziehen zu lassen. Das wäre den Beteiligten auch egal wenns nicht immer noch so viele Menschen wären die sich immer noch nicht damit zufrieden geben nun die sog. „Grünen“ ans Ruder gebracht zu haben aber der Kurs immer noch der gleiche ist.

        Bin gespannt wie es sich weiter entwickeln wird.

        1. Die Bahn wird nach der Frostperiode massiv buddeln wollen – und das wird eben auch massive Probleme hervorrufen. Es wäre ziemlich blöd, wenn dann für den zu erwartenden Zulauf zur Demo erst mit langen Antragsverfahren, von der Größe her angemessenere, Plätze genehmigt werden müssten.
          Jetzt schon an Morgen denken! Das Rathaus ist eh nur die Würstchendose der Bahn – aber die Bahn verursacht die Schäden, ausgehend vom Bahnhof. Eine bessere Adresse gibt es nicht. Und deshalb muss dieser Ort jetzt verteidigt werden – schlicht durch Nutzung.

  5. Grundrecht – Versammlungsfreiheit – das ist ein hohes Gut. Lassen wir uns unsere Grundrechte nicht mehr und mehr beschneiden und lasst uns friedlich aber bestimmt darstellen für was wir einstehen. Das unsinnige Projekt wird sich doch hoffentlich demnächst selbst erledigen – siehe Risse nach ein paar Metern Tunnelbau. Aber für die garantierten Rechte wird es noch wichtiger einzustehen. Nicht zuletzt das Recht auf unserer Daten, Brief und Telefon (samt Internet).
    Mit Köpfchen OBEN BLEIBEN

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