Heute an diesem leicht regnerischen November-Montag findet also die einhundert fünfzigste Demo gegen das Immobilienprojekt Stuttgart 21 statt. Das Wetter paßt zur Demo, den die Teilnehmer hatten sich noch nie vom Wetter beeindrucken lassen. Im Gegenteil – oft war das schlechte Wetter Grund genug um „jetzt erschd Recht“ hinzugehen!
150 mal oft ein Auf und Ab der Gefühle und Stimmungen, doch egal wie die allgemeine Lage war, der Stein in der Brandung war immer für viele die wöchentliche Demonstration. Klar stimmt da auch nicht immer alles aber so ist das Leben, auch das beste Radioprogramm hat mal was drin das einem nicht gefällt. Wie sagte der gerne zitierte „Forrest Gump“ so schön „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie was man bekommt“. Was er dabei aber auch indirekt sagt, dass auch bei der besten Schachtel Pralinen sind immer ein paar dabei die einem nicht so schmecken.
Was der gute Forrest Gump auch nicht wußte – bei fast allen Pralinenschachteln kann man auf der Rückseite sehen was man bekommt. Auf der heutigen Schachtel steht:
Musik: Frederic Rabold Crew Reden von Egon Hopfenzitz, Wolfgang Schorlau, Christine Prayon, Guntrun Müller-Enßlin, Volker Lösch und gemeinsam gesungen „Freunde schöner Kopfbahnhöfe“, mit Wunderkerzen. Aber wahrscheinlich hätte es Forrest auch den Spaß verdorben zu wissen was er bekommt. Bewegten Bürgern gegen S21 verdiebt es hingegen selten den Spaß. Auch diesmal wird breit zum feiern der Demos und der Bewegung an sich aufgerufen.
Klar die Tatsache das über 150 Wochen durchgehalten wurde ist beachtlich. So mancher schreibt gar vom längsten derart großen und regelmäßigen Protest Deutschlands (das kann ich nicht bestätigen da ich das nicht recherchiert habe). Doch wer in der Bewegung unterwegs ist weiß das so mancher sich nicht träumen ließ das es so lange dauern muß.
Beachtlich vor allem das man, selbst bei den aktuellsten Themen, die nun endlich nach Jahren von den Mainstream-Medien aufgenommen werden, oft Jahre alte Vorträge von Fachleuten aus dem Archiv ziehen kann. Schon im Jahre 2010 berichteten sie von den massiven Brandschutzproblemen oder warnten vor den Risiken der blauäugig und auf Technikwahn basierenden Eingriffe in funktionierende Bahntechnik. Zu fast allen Themen gab es schon Vorträge die sich mittlerweile als Zutreffend erwiesen haben. Das gibt natürlich vielen die Antwort auf die Frage „Was bringt es den noch auf die Demo zu gehen es wird doch alles ignoriert“.
Spätestens wenn man das hundertste mal erklärt bekommt das man nach der ominösen Volksabstimmung doch Ruhe geben soll, wird es vielen Verständlicherweise irgendwann zu blöd. Dabei sollte gerade das Mut machen! Ignoriert wurden die Bürger bewegten in der Tat schon viel zu oft, aber nun da sich die Altmedien seit Wochen auf die Themen einlassen, ist „aufgeben“ doch genau der falsche Weg. Die Medien kapitulieren genauso wie die DB vor den Tatsachen – ein Dach das vermurkst wurde und seit Monaten nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung gebracht wurde ist nun mal nicht zu ignorieren. Eine Weiche die seit Monaten nicht richtig gebaut werden kann, zeigt nun mal das selbst die tausendste unreflektiert kopierte Pressemeldung der DB bei den Lesern nicht mehr ausreicht.
Genauso hörte ich schon von vielen die früher aktiv waren „wir sind halt nicht die Mehrheit“ – nun das wird das je waren war schon immer eine fragliche Spekulation der Meinungsbeistimmenden in der Bewegung. Leider haben sie sich dabei geirrt wie bei so mancher Entscheidung die sie für die Bewegung getroffen haben. Wäre es aber entscheidend nur aktiv zu sein wenn man die Mehrheit ist was genau hätten dann die 4-5 Montagsdemonstranten bei der ersten Demo sagen oder denken sollen? Es geht nicht um Zahlen oder Mehrheiten sondern es geht um Sinnvolle Ziele und diese zu erreichen! An den Argumenten und den Zielen hat sich nie etwas geändert! Oder würde es einen einzigen der Toten später interessieren, welche Wahlergebnisse eine VA über Finanzierungsthemen früher mal hatte, wenn dieser Wahnsinn21 gebaut würde und ein Zug in Flammen aufgeht?
Was bleibt ist also die beständige Präsenz auf der Straße mit der die Arbeit der Fachleute unterstützt und unterstrichen wird. Was bleibt ist aber auch die dringende Notwendigkeit der Selbstreflektion! Es zeigt sich nach 150 Demos, dass die Bewegung selbst und im ganzen sich nicht reflektieren wird. Zu oft wäre es höchste Zeit dazu gewesen -spätestens nach den größten Niederlagen auch wenn sie immer mit aller Macht umgedeutet wurden statt daraus zu lernen – erreicht wurde dieser nötige Lernprozeß nie. Daher sollte neben dem Feiern der Bewegung auch eine eigene Reflektion durchgeführt werden. Wenn es im großen nicht geht muß es im kleinen gehen!
Bei einem Jubiläum läßt man ja auch oft das Vergangene am geistigen Auge vorüberziehen – meist blendet man ja dabei auch das Negative aus – aber es sind die Fehler aus denen man das meiste lernt! Wer im Leben nur Erfolge erlebt hat wird sich nie wirklich weiterentwickeln! Mag sein das er/sie wirklich perfekt ist aber meist ist das ja nur ein Trugschluß – was oder wer ist schon perfekt? Man sagt die Altersstruktur der Bürgerbewegung ist im oberen Bereich – sollte man dabei nicht auch gelernt haben es wichtig ist aus Fehlern zu lernen?
Da hier in meinem Blog wohl mehrheitlich aktive Bürger Bewegte lesen (die nicht mehr aktiven lesen ja meist nicht mehr mit) daher nun mein Appell: Schaut zurück auf alles was war – auf das was ihr getan und erlebt habt – erinnert euch an die Zeiten und reflektiert euer eigenes Tun. Versucht dabei das auszublenden was heute viel zu sehr die Überhand genommen hat -> blendet aus was euch vom Weg abgelenkt hat (Schlichtung, VA, Politikspielchen usw.). Findet euren Weg wieder in der Erinnerung und reflektiert was war , um daraus den Weg zu finden den euch diese Erfahrungen aufzeigen.
Oben Bleiben und bis um 18 Uhr vor dem Kopfbahnhof in Stuttgart
( Alexander Schäfer auf schaeferweltweit.de )